Der Zauber Tansanias hat mich gepackt!

Freitag, 17.07.2015

Stimmt das Datum wirklich? Ich kann nicht glauben, dass heute schon der 17. Juli sein soll. Wo ist all die Zeit hin, wo die zehn Monate, die ich nun schon in Tansania lebe? Morgen breche ich mit den anderen Freiwilligen zu einer 26-stuendigen Zugreise durchs Land an und naechsten Dienstag um 16.45 Uhr heisst es dann Abschied von Tansania nehmen. Und auf nach Hause. Das wird also mein letzter Blogeintrag ueber meine Erlebnisse hier.

Seit meinem letzten Bericht hatte ich eine wunderschoene Zeit in Tansania. Ende Mai kam mein Vater mich besuchen und ich konnte mit meinen Kiswahili-Kenntnissen angeben und ihm das wunderschoene Tukuyu zeigen, in dem ich zuhause bin. Wir bummelten durch den lebendigen, farbenfrohen Markt, assen geroestete Bananen und dazu Spiesse mit gegrilltem Ziegenfleisch (und ich muss zugeben, inzwischen schmeckt es mir vorzueglich – mein noch von europaeischem Essen verwoehnter Vater hingegen war davon weniger angetan). Und quetschten uns teilweise zu sechzehnt in ein Auto – mit mehreren Kindern und einem Huhn auf dem Schoss - um zu wunderschoenen Orten wie dem Ngozi Crater Lake und dem Malawisee zu gelangen. Zudem konnte ich die Dusche im Hotelzimmer meines Vaters nutzen, um der kalten Eimerdusche in meiner Einsatzstelle zu entgehen und mich endich mal wieder wie ein normaler Mensch zu fuehlen.

Eine Woche spaeter verliessen wir Tukuyu und flogen in den Norden zu Annika, die ich ja bereits im Januar fuer einen Monat auf ihrer Kaffeeplantage besucht hatte. Es war ein bisschen wie nach Hause kommen, als ich bei den Bruedern auf der Farm ankam und von allen herzlich begruesst wurde. Wir wurden mit einem Festmahl empfangen: Der tansanische Koch hatte alles gegeben und servierte uns eine fantastische Pizza (und das ohne Kaese und Oregano!). Die naechsten Tage verliefen relativ entspannt; wir liessen uns von dem Koch verwoehnen und mein Vater fachsimpelte mit ihm darueber, wie man guten Marmorkuchen backt (und erntete erfuerchtige Begeisterung – in Tansania ist Backen noch immer eher Frauensache) und genossen die kuehlen, aber sonnigen Nachmittage im grossen Garten des Grundstuecks und lauschten den exotischen Voegellauten. Morgens begleitete ich Annika ud Gabriela in ihren Kindergarten und kuschelte mit den Kindern, denn die hatte ich schrecklich vermisst. Am Samstag schliesslich war die Zeit zum Abschied nehmen gekommen und der naechste Teil unserer Reise brach an. Ein Jeep brachte uns von der Plantage, die mitten im Nirgendwo liegt, durch unglaublich holprige, schlammige und fuer andere Autos unbefahrbare Wege zurueck in die Zivilisation und fort von der wunderschoenen Idylle. Wehmuetig blickte ichauf die Kaffeefarm und all die lieben Menschen zurueck, die ich nie wieder sehen wuerde, waehrend ich gleichzeitig versuchte, mir keine Gedanken ueber das stark schlingernde Fahrzeug zu machen, das uns bei jeder Kurve in eine andere Ecke warf.

In der Zivilistation angekommen nahmen wir uns ein Taxi und liessen uns in die Grossstadt und Touristenmetropole Arusha bringen, wo wir erstmal mexikanisches Esssen und italienische Milkshakes genossen und Annika und ich uns allmahlich wie ganz normale Touristen zu fuehlen begannen. Das Urrlaubsfeeling hatte uns gepackt und die Anspannung, die man an der Einsatzstelle nie ganz ablegen kann, loeste sich in Nichts auf. Jetzt konnte es richtig losgehen!

Am Samstag, dem 06. Juni flogen wir nach Daressalam, um meinen Bruder abzuholen, der aus Deutschland nachgereist war. Es war sehr seltsam fuer mich, ploetzlich meine Familie hier zu haben, in einer Welt, die so anders ist als die unsere, und die ich mit meinem Leben in Deutschland nicht hatte vereinen koennen – doch ploetzlich ueberschnitten sich beide Welten. Aber so verwirrend es auch war, es war wunderschoen, ploetzlich wieder mit Menschen zusammen zu sein, mit denen man sich vollstaendig fuehlt und vor denen einfach man selbst sein kann. Ich hatte fast vergessen, wie es ist, Ich zu sein.

Nachdem wir eine Nacht inDaressalam verbracht hatten, (in unglaublich luxurioesen Zimmern! – zumindest fuer meine Verhaeltnisse – aber es gab eine Wahnsinnsdusche!) fuhren wir morgens um 6 Uhr mit einem Jeep (+Fahrer) los und auf in unser naechstes Abenteuer: Auf Safari in den Ruaha National Park! Allerdings war der Anfang nicht allzu spektakulaer: Wir waren 14 Stunden auf den furchtbaren tansanischen Ssrassen unterwegs und passierten innerhalb dieses einen Tages drei Unfallorte, an denen Lastkraftwagen entweder quer ueber der Strasse oder an den Abhaengen daneben lagen. Nachdem wir auf staubigen Hubbelpisten ordentlich durchgeruettelt worden waren, erreichten wir endlich unsere Lodge (Deren Werbeslogan: Where wellness mix nature! Haha) . Dort erwartete uns eine Ueberraschung: wir waren die einzigen Gaeste und die ganze Anlage lag in vollkommener Stille vor uns. Das war anfangs etwas befemdlich, aber gleichzeitig hatten wir so viel mehr Freiheit und mussten nicht auf andere Gaeste Ruecksicht nehmen, wenn wir nachts unter dem Sternenhimmel Gitarre spielten und dazu sangen, waehrend wir einen atemberaubenden Blick auf die Ebene unter uns und die Haenge des Nationalparks hatten. Jeden Abend beobachteten wir den blutroten Sonnenuntergang am afrikanischen, unglaublich weiten Horizont und fuehlten uns wie die einzigen Menschen auf der ganzen Welt. Morgens fuhren wir inden Nationalpark und waren stundenlang den beeindruckendsten Tieren auf der Spur. Wir beobachteten einen Geparden, der sich laessig im Gras flaezte und herumalberte wie ein Kaetzchen. Eine Zebraherde ueberquerte die Strasse und eskortierte in ihrer Mitte ein kleines Fohlen, das auf seinen staksigen Beinchen uebermuetig umhersprang uind schneller rannte, als man es fuer moeglich gehalten haette. Von einem riesigen Felsbrocken aus konnte ein wunderschoen gefleckter Leopard sein Territorium ueberblicken und starrte uns, die Eindringlinge, ohne jegliche Furcht an. Unzaehlige Giraffen blickten uns aus ihren schoenen lang bewimperten Augen an und gaben mit ihrer reglosen Eleganz perfekte Fotomodels ab. Am Wegrand unter einm Gebuesch, um der prallen Sonne zu entgehen, schlief ein junger Loewe, dessen orangefarbene Augen vor Zorn spruehten, als das Motorengeraeusch unseres Jeeps ihn aus seinem MIttagsschlaf riss. (Unser Fahrer, als wir beim Loewen anhielten: “Wer ist fuer eine Klopause?”) Wir picknickten 10 Meter von Elefanten, Giraffen und herumalbernden Affen entfernt im Freien. Unser Guide, der die Regeln des Nationalparks nicht so genau nahm, preschte mit uns auf der Suche nach Bueffeln mit Vollgas durch einen Fluss, sodass das Wasser an beiden Seiten des Wagens hochschlug und uns nass spritzte. Gewaltige Hippos waelzten sich im Wasser, um ihre empfindliche Haut vor Sonnenbrand zu schuetzen und schliefen Seite an Seite mit glaenzend-geschuppten Alligatoren. Wuetende Elefanten verfolgten uns mit lautem Gestampfe und Getroete, als diese ihr Jungtier durch uns in Gefahr fuerchteten. Es war also eine abenteuerliche Woche, in der wir beeindruckenden Tieren ungalublich nahe kamen und sie bei ihrem Leben in der afrikanischen Wildnis beobachten konnten.

Nach einer erneuten 14-stuendigen Fahrt zurueck an die Kueste Tansanias nahmen wir eine unglaublich schwankende Seekrankheit-verursachende Faehre, die uns auf die zu Tansania gehoerende Insel Sansibar brachte. Dort angekommen war es wie im Paradies: Wir waren in einer Unterkunft untergebracht, die von mehreren Rastamaennern geleitet wird. Dementsprechend war die ganze Atmosphaere dort extrem gechillt und entspannt (es roch auch ab und zu nach Gras, also kein Wunder). Ueberall hingen an Palmen befestigte Haengematten herum, Toilettensitze waren kreativ zu Blumentoepfen umgestaltet worden, Cocktails wurden in Kokosnuessen serviert, ab und zu hangelte sich ein wilder Affe namens Rafiki von einem Baum herunter und liess sich grosszuegig von uns kraulen, es lief den ganzen Tag Reggae-Musik und die Anlage war aus geschmackvoll verzierten Holzhaueschen erbaut. Wir waren in einer “Suite” untergebracht, die man durch eine selbstgezimmerte, schiefe Holzleiter erreichte und von der aus man eine tolle Aussicht auf die Umgebung und sogar ein bisschen Meerblick hatte. Aber nun zum eigentlichen Highlight der Insel Sansibar: Die Landschaft. Das Klima ist heiss und trocken, aber aufgrund der kurz vorher beendeten Regenzeit fanden wir alles in sehr gruenem Zustand vor. Der Strand war von puderzuckerweissem Sand gesaeumt, der so weich war, dass man darin versinkten wollte. Kokospalmen ragten hoch ueber uns in den Himmel und warfen Schatten auf das unglaublich blaue , kristallklare Meer. Die Wassertemperatur war perfekt zum Baden und lud zum Darin-Schwelgen und Geniessen ein. Waehrend Ebbe war, konnte man sogar bis zu den Korallenriffen zwei Kilometer reinwaerts laufen und bunte Fische, elegant verzierte Seesterne und allerelei anderes Getier, das man nicht identifizieren konnte, entdecken. (Und ich bekam beinahe einen Herzinfarkt, weil ich zweimal versehentlich auf einen Tintenfisch trat, der mir das nicht verzieh und sich mit zornig verspruehten Wolken aus lila Tinte bei mir raechte.) Zudem genoss ich es, endlich mal wieder “richtiges” Essen zu mir nehmen zu koennen anstatt den in Tukuyu taeglichen Maisbrei oder Kochbananen. Mir wurde der Atem geraubt von der besten Pizza, die ich seit Tansania gegessen hatte (zugegeben, ich hatte noch nicht oft Pizza in Tansania gegessen – Tansanier moegen im Normalfall keine Pizza; und auch sonst keinerlei andere auslaendische Gerichte). An einem Tag machten wir uns auf nach Stone Town, einer wunderschoenen Altstadt an der Kueste, der man noch den Charme frueherer goldener Zeiten arabischer Scheiche ansieht. Die Stadt besteht aus grazioesen alten Palaesten und Moscheen, ueberall gibt es Staende mit den verschiedensten exotischen Gewuerzen und die Menschen sind eine buten Mischung aus Afrikanern, Indern und Europaeern. Viele Laeden boten farbenfrohe Kleider und Chillerhosen an und Annika und ich waren von der Vielfalt und Menge so ueberwaeltigt, dass wir meinen Vater und Bruder bezueglich des Wartens vor eine harte Geduldsprobe stellten und letztendlich beschlossen, am naechsten Tag nochmal zu kommen, um jedes Kleidungsgeschaeft einzeln abzuklappern (was wir dann selbstverstaendlich auch taten – wir machten an diesem Tag viele Verkaeufer gluecklich, und uns selbst natuerlich erst echt).

Mit der sonstigen freien Zeit stellten wir nicht viel aufregendes an, sondern genossen vielmehr das Gefuehl, gerade auf einer ultimativen Trauminsel zu sein und versuchten den palmengesaeumten Strand, den weichen Sand, das Meeresrauschen und das Gefuehl von Freiheit in uns aufzusaugen.

Was den Zauber der Insel allerdings merklich truebte, war die Tatsache, dass der Grossteil der sansibarischen Bevoelkerung noch immer in grosser Armut und unter einfachsten Bedingungen lebt. Es war schockierend, dass nur 50 Meter von unserer Ferienanlage entfernt eine Einheimischensiedlung begann, deren Bewohner in winzigen Haeuschen wohnten und ihrenTag damit verbrachten, Koerbe zu flechten oder Algen zu sortieren: Viele hatten gar keine Arbeit und starrten einen von ihrem Stammplatz vor dem Haus aus durchdringend an, wenn man vorbeiging. Als “reicher” Weisser durch diese Strassen zu gehen und all die aermlichen Huetten ud ihre Besitzer zu passieren, laesst einen nicht kalt: Man fuehlt sich schlecht und und fragt sich unweigerlich: Warum darf ich hier als diejenige herumlaufen, die die sich alles kaufen kann und alles hat, waehrend diese Menschen vor ihren dreckigen Huettchen sitzen und um das taegliche Ueberleben kaempfen muessen? Wie kann das gerecht sein? Dass diese Menschen auf einer Trauminsel und direkt an einem der schoensten Straende dieser Erde wohnen, bringt ihnen ueberhaupt nichts. Ich frage mich, was sie sich wohl gedacht haben, als wir als Weisse durch ihre Siedlung gelaufen sind. Ob sie Neid oder Wut verspuert haben, wenn sie uns ansahen. Ich koennte verstehen, wenn es so waere.

Die Woche auf Sansibar verflog wie der Wind und ehe man es begreifen konnte, waren wir auch schon wieder mit der Faehre auf dem Rueckweg. Am Bordfernseher lief Dick und Doof, was ich an sich lustig gefunden haette, waere es nicht wieder ein ungalublich seekrank-machendes Schiff gewesen; so verbrachte ich die Zeit eher damit, mir fest vorzunehmen, nicht in einen der zuvor vorsorglich verteilten “Sick Bags” zu kotzen, was mir gluecklicherweise auch gelang.

Zurueck im lauten, staubigen und verkehrsbelasteten Daressalam hiess es am Flughafen vorerst wieder einmal Abschied nehmen: Meine Familie wuerde nach Deutschland, ich zurueck nach Mbeya fliegen. Es war sehr seltsam, nicht mit meinem Vater und Bruder durch das “International Departures”-Gate gehen zu koennen, sondern mich alleine in eine Menschenschlange, die nur aus Tansaniern bestand, zu stellen. Allerdings wurde ich gemaess der einheimischen Gastfreundlichkeit und Fuersorge, sofort von neugieriegen Tansaniern in Beschlag genommen und so gut betreut, dass ich ueberhaupt keine Chance gehabt haette, mich auf dem Weg zu meinem Flieger zu verirren. Zurueck an meiner Einsatzstelle inTukuyu war es anfangs hart, sich nach dem entspannten Urlaub, indem man einfach man selbst sein konnte, wieder in den tansanischen Alltag zurueckzufinden: In das fruehe Aufstehen und die taeglichen Kirchgaenge; die anstrengende und sich oft so erfolglos anfuehlende Arbeit in der Grundschule; das eintoenige Essen und vor allem das zum-essen-gezungen-werden-was-man-nicht-mag-und-sogar-noch-richtig-viel-davon-essen-muessen bei den Schwestern; das staendige Sich-Verstellen und jeden anlaecheln, auch wenn einem eigentlich gerade gar nicht nach Laecheln zumute ist; die grobe Direktheit der Tansanier (“Du bist aber dick geworden!”); die andere Sprache; die Rockpflicht; die andere Welt.

Als ich mich daran aber langsam wieder gewoehnt hatte, merkte ich, dass sich etwas veraendert hatte. Vielleicht lag es daran, dass mein Kiswsahili von Tag zu Tag besser wurde und ich, ohne es wirklich gemerkt zu haben, nun endlich richtig mit den Menschen dieses Landes reden konnte. Ich merkte, dass die Beziehungen zu den Leuten enger geworden waren. Und ich begann, das Land und die Momente mit den Menschen richtig geniessen zu koennen. Ich saugte die Abende mit den Hausmaedchen in mich auf, waehrend wir uns am Feuer waermten und in den klaren Nachthimmel hinausblickten. Ich nahm die rhythmischen, lebendigen Melodien der Chorlieder in mich auf und verschloss sie in meinem Ineren, in der Hoffnung, in spaeteren, graueren Zeiten ein bisschen afrikanische Sonne in mein Leben bringen zu koennen. Ich sass inder kleinen Huette einer tansanischen Freundin, mit einer Kochbanane in der Hand, die ich in gesalzene Avocado tauchte und dachte, dass ich schon lange nicht mehr so etwas Leckeres gegessen hatte. Ich sah in strahlende Gesichter meiner Erstklaessler und genoss es, nach dem Unterricht mit ihnen kuscheln zu koennen und zu wissen, dass ich ein Grund fuer das Leuchten in ihren Augen war. Ich begruesste vorbeilaufende Tansanier, die mich anfangs boese beaugt hatten, und freute mich daran, wie aus ihrer zuerst misstraischen Miene Ueberraschung und anschliessend Begeisterung erwuchs. Ich freute mich an all den kleinen Dingen und mir wurde klar, dass ich endlich angekommen war. Ich war endlich richtig da, im Hier und Jetzt, und nirgendwo sonst.

Tansania ist ein lautes, buntes, freundliches Land und die Menschen sind hilfsbereit, grosszuegig und so gastfreundlich, wie ich es woanders noch nie erlebt habe. Alles verlaeuft so viel einfacher und ruhiger, alles geht seinen Gang und trotz viel Chaos und tansanischer Verpeiltheit klappt alles immer irgendwie irgendwann. Das Leben ist einfacher und schwieriger zugleich und vielleicht liegt gerade darin der Reiz. So hart, anstrengend und einsam die Zeit hier fuer mich auch oft war, so besonders, praegend und fesselnd war sie auch und ich habe gelernt, vieles mehr zu schaetzen zu wissen.

Und ich habe die Welt ein bisschen weiter erkundet, ein Stueck mehr entdeckt, etwas von mir in diesem Land gelassen und ein bisschen von diesem Land in mich aufgenommen. Und dort wird es immer bleiben.

Asanteni kwa kusoma hadithi yangu, nimefurahi sana!

Eure Tabea

PS: Bilder folgen naechste Woche, wenn ich wieder in Deutschland und einem vernuenftigen PC bin, anstatt einer alten Schrottkiste in einem heruntergekommenen Internetcafe (und ja, der Strom ist wieder mal mehrmals ausgefallen, waehrend ich diesen Eintrag geschrieben hab!).

Mein zweites Zuhause?

Montag, 25.05.2015

Ich weiss, seit dem letzten Blogeintrag ist leider sehr viel Zeit vergangen und ich weiss nicht, wie ich alles erzaehlen soll, was ich seitdem erlebt habe. Aber hier starte ich zumindest den Versuch, euch die wichtigsten Momente der letzten 5 Monate nahezubringen.

Los gehts mit Weihnachten 2014. Dieses Weihnachten war für mich sehr anders und seltsam, weil ich es nicht mit meiner Familie und in vertrauter Umgebung zuhause verbringen konnte. Stattdessen habe ich es in einer mir oft noch fremden, ganz andersartigen Kultur erlebt. Der 24. Dezember war wohl der arbeitsreichste Tag fuer mich seit ich in Tansania angekommen war: Wir verbrachten den Tag damit, im Haus herumzuwerkeln, alles zu putzen und von Spinnweben zu befreien, die Vorhänge zu wechseln und sämtliche kitschige Spitzendeckchen gegen andere, genauso kitschige auszutauschen. Abends schlüpften wir in festliche, maßgeschneiderte Kleider, die wir extra für diesen Anlass hatten anfertigen lassen, frisierten uns gegenseitig und ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem wieder vorzeigbar. Die Kirchenmessen in den folgenden Tagen verliefen aufregend und feierlich, seit Ende Oktober waren Kaddi und ich bei einem Gospelchor dabei, mit dem wir an den Feiertagen auftraten. Das machte Spaß und in der festlichen Stimmung klangen unsere Lieder wie Jubelgesang. Ansonsten verlief Weihnachten sehr entspannt und fast schon langweilig: Es war ein ständiger Wechsel aus Entspannen mit den Schwestern und Pfarrern vor dem Fernseher und Festmählern wie Pilau (gewürzter Reis mit Gemüse und Fleisch), Suppen, Pommes, leckeren Salaten und zur Abwechslung mal zartem Fleisch. Es war ein anderes Weihnachten, aber eben auch ein besonderes, und darum wird es mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Ein paar Tage später kamen Hanna und Pati, andere Freiwillige zu uns, die nicht weit weg im benachbarten Dorf Kisa leben. Mit ihnen hatten wir einen ganz speziellen Trip geplant: Wir wollten zum Ngozi Crater Lake, einem Vulkankratersee in der Nähe von Tukuyu. Dafür fragten wir einen Bekannten von uns, ob er uns hinfahren und den See zeigen würde. Dieser war sofort einverstanden (die Gastfreundschaft derTansanier lässt grüßen) und nach einer einstündigen Autofahrt kamen wir in dem kleinen, verschlafenen Dörfchen Ngozi an. Dort arrangierte Lwitiko, unser Bekannter, noch einen Guide für uns,da er selbst sich nicht so genau auskannte. Als dieser schließlich mit uns im Auto saß,ging die Fahrt zum Vulkankratersee und in unser bisher größtes Abenteuer los. Dieses endete zunächst abprubt als wir nach 20 Minuten Fahrt auf einem matschigen Feldweg in einem riesigen Schlammloch feststeckten, das so tief war, dass als wir die Autotüren öffneten, das dreckige Wasser fast ins Innere lief. Mit vereinten Kräften und nach minutenlanger Anstrengung schafften wir es, das Auto aus dem Loch zu schieben und weiter ging die Fahrt. Allerdings nun deutlich geräuschvoller als zuvor: In den Auspuff war Dreckwasser und Schlamm hineingelaufen,weshalb das Getriebe ständige Spuckgeräusche von sich gab, zudem schien am linken Rad irgendwas nicht in Ordnung zu sein, denn es knirschte und kreischte ganz komisch. Wir Freiwilligen, die wir wussten, dass Lwitikos Auto ohne unsere Bitte, dass er uns hierhinfahren würde, noch unbeschädigt wäre, fühlten uns schuldbewusst und tauschten verstohlene Blicke aus. Diese nahmen immer mehr zu, je weiter wir fuhren, denn der Weg, der von Anfang an in schlechtem Zustand und eher der Natur überlassen gewesen schien, wurde noch unbefahrbarer: Er wand sich in kleinen und engen Kurven durch felsiges Gebirge und dichten Dschungel, im Boden steckten große Steine,die wir kaum umgehen konnten. Oft brauchte Lwitiko mehrere Anläufe, um das Auto über die Hindernisse zu steuern oder diese im Millimeterabstand zu umfahren. Inzwischen baten wir ihn regelrecht umzukehren oder uns an Ort und Stelle rauszulassen, um den Rest des Wegs zu laufen, doch er stritt unsere Bitten jedes Mal nur mit einem fröhlichen „Don’t worry“ ab. Irgendwann kamen wir endlich rucklig zum Stehen auf einer Lichtung mitten im Dschungel und besahen uns den recht steilen Berg Ngozi, in dessen Mitte der Kratersee auf uns warten würde. Der Aufstieg verlief ziemlich anstrengend angesichts der Tatsache dass unser Guide anscheinend für einen Marathon probte: Er rannte buchstäblich voraus, sodass wir auf den engen Pfaden umherirrten und –hetzten und uns kaum Zeit für einen Blick um uns herum, um das grüne Dickicht, verschlungene Lianen und bemooste Bäume auf denen Affen herumhangelten, blieb.  Urwald-Feeling Wir hörten nur exotisches Zirpen und Fiepen um uns herum, spürten das feuchte Klima und wedelten uns gegenseitig die unglaublich vielen Stechmücken von den T-Shirts. Nach einer halben Stunde Hillrun sahen wir zum ersten Mal unseren Führer wieder: Er war stehen geblieben, was wohl bedeutete, dass wir angekommen waren. Jedoch waren wir noch viel zu weit oben und ein Blick nach links zeigte uns, dass der Kratersee zwar groß und grün schillernd vor uns lag, allerdingsnoch gute 250 Meter unter uns. Lwitiko erklärte uns, dass der weitere Weg unpassierbar wäre, da er während der letzten Regenzeit verwüstet wurde. So mussten wir uns also mit der zugegeben spektakulären Aussicht auf den See zufrieden geben. Zudem waren wir so erschöpft von der vorigen Rennerei, dass es uns nicht allzu viel ausmachte, nicht mehr weitergehen zu können. Angekommen! Ngozi Crater Lake

Ngozi Crater Lake

Nach 15-minütiger Pause und Beweisfotos vor dem See beschloss unser Guide, dass wir lange genug herumgehangen hatten und rannte uns voraus zurück. Das Ganze ging also wieder von vorne los und nach Rekordzeit (keine 25 Minuten obwohl im Reiseführer von 1 Stunde die Rede war!) erreichten wir Lwitikos Auto auf der Lichtung. Wer aber denkt,dass unser Abenteuer hiermit zuende war, liegt falsch: Es hatte noch gar nicht richtig angefangen. Kaum saßen wir im Auto, stellte sich erneut das Problem des unbefahrbaren Weges. Wir saßen erschöpft und verschwitzt im Wagen,beäugten eine Horde Stechmücken, die sich an der Autodecke versammelt hatte und uns ab und zu zu stechen versuchte, während wir langsam dahinzockelten. In einer engen Kurve war schließlich Schluss: Dort waren so große Gesteinsbrocken im Weg, dass Lwitiko den Wagen weder daran vorbei noch darüber hinweg steuern konnte. Deshalb brachte er den grandiosen Vorschlag auf, die Felsbrocken doch einfach auszubuddeln und aus dem Weg zu räumen. Steine ausgraben? Beste Idee!Nachdem dieser Versuch klaeglich scheiterte, stieg Lwitiko wieder in seinen Wagen, mit dem festen Entschluss, über die Steine hinwegzufahren. Wir Freiwilligen blieben draußen und versuchten den Wagen bei laufendem Motor über die Felsbrocken zu schieben – erfolglos. Das einzige Ergebnis war ein platter Reifen, der eine Weiterfahrt nun völlig unmöglich machte. Inzwischen hatte sich die Dämmerung über uns gelegt und es begann, dunkel zu werden. Seit einiger Zeit hatte es begonnen zu regnen und inzwischen braute sich ein Gewitter direkt über uns auf. So quetschten wir uns alle wieder ins Auto und diskutierten nervös kichernd über die Tatsache, dass wir uns in Dunkelheit, strömendem Regen und Gewitter,mit Handys ohne Netz mitten im Regenwald in einem defekten Auto Stunden entfernt von jeglicher Zivilisation befanden. Komischerweise fanden wir das alles eher lustig als beängstigend – vermutlich die Hysterie. Lwitiko beschloss indessen, uns nicht unserem doch etwas bedrückenden Schicksal zu überlassen, sondern joggtelos, um Hilfe zu holen. Nach ungefähr zwei Stunden Wartezeit im Auto waren wir sehr erleichtert, plötzlich Lichter vor uns auftauchen zu sehen. Diese gehörten zu zwei Piki Pikis, Motorrädern, die Lwitiko hatte auftreiben können. Überglücklich quetschten wir uns zu siebt auf zwei Piki Pikis, ließen das zerschundene kaputte Auto einfach mitten auf dem Weg zurück, und begannen den nun vom Regen matschigen Weg, der selbst mit Motorrädern nicht gut befahrbar war. Trotzdem gelang es den Fahrern, uns aus dem Regenwald herauszuführen und auf einen etwas besseren Feldweg zu fahren. Trotz fehlendem Licht kamen wir gut voran und als Kaddi und ich gerade dabei waren, uns auszumalen, bald wieder in der Zivilisation anzukommen, geschah das nächste Unglück: Unser Piki Piki hatte kein Benzin mehr und blieb kurzerhand stehen. Die anderen düsten natürlich fröhlich ohne uns weiter, während wir nun im Stockfinsteren mit einem nun nutzlosen Motorrad standen. Da dies aber nur eine weitere Katastrophe in einer ganzen Kette von Katastrophen war, die sich an diesem Tag schon ereignet hatten, stiegen wir ohne zu murren ab und liefen, uns leise unterhaltend, im Dunkeln den Weg entlang, während wir das nun weitergezogene Gewitter am Himmel bestaunen konnten. Nach endlosem Laufen und ca. 100 Meter bevor wir das Dorf Ngozi und unser Ziel erreicht hatten, kam uns der andere Piki Piki-Fahrer mit einem Kanister Benzin hingegen. So konnten wir also die letzten 100 Meter noch auf dem Motorrad sitzen, welch Ironie. Als wir Hanna und Pati wieder trafen, erfuhren wir, dass sie derweil auch nicht ohne ein Abenteuer ausgekommen waren: Zu viert auf ein Motorrad gequetscht, sahen sie das Gefährt auf einen weiß leuchtenden Streifen vor ihnen zurasen und fragten sich noch verwirrt,was das wohl sein könnte,als sie auch schon durchgeprescht waren: Sie waren in voller Fahrt durch eine Schranke gefahren und hatten diese aus der Halterung gerissen. Glücklicherweise wurde außer dem Motorradlicht nichts beschädigt. So hatten wir es also geschafft, an einem Tag sowohl ein Auto als auch ein Motorrad zu beschädigen. Das war wohl ein Rekord. Als wir schließlich völlig geschafft und verdreckt, aber glücklich im Bus auf der Heimfahrt saßen, schworen wir uns, diesen Tag nie zu vergessen und ihn als „Montag,den 29.Dezember“ für immer in die Geschichte eingehen zu lassen.

Am nächsten Tag ging schon das nächste aufregende Ereignis los: Silvester stand kurz bevor und wir Freiwilligen aus Mbeya hatten beschlossen, das Ende des Jahres am nahegelegenen Malawisee, dem 9-größten See der Erde zu verbringen, der ungefähr den Umfang von Belgien hat. Zuerst trafen wir uns in Kyela, der größten Stadt in der Nähe vom See, nahmen uns zu zehnt ein Taxi und fuhren ca. 2 ½ Stunden weiter in den Süden, während afrikanische Charts aus dem Radio unsere Sommerlaune noch steigerten. Als wir angekommen waren, zeigte sich, wie wunderschön der See tatsächlich war: Umgeben von feinem Sand- und Kiesstrand, an dessen Ufern Einbäume, einheimische Fischerboote aus Holz, lagen, erstreckte er sich strahlend blau und scheinbar endlos wie das Meer vor uns. Abendstimmung am Malawisee Am Malawisee Silvesterabend

Unser für die vier Tage gebuchtes Haus, stand direkt am Strand und war für tansanische Verhältnisse äußerst luxuriös und groß (es gab sogar richtige Duschen, was man nach fast 3 Monaten mit eiskalten Eimerduschen sehr zu schätzen weiß!). Was den Urlaub so besonders machte, war auch die Tatsache, dass es in Matema, dem Dorf am Ufer des Sees überhaupt nicht wirklich touristisch war.Der kleine Markt, auf dem wir uns mit Essen versorgten, war typisch afrikanisch und klein; am Ufer des Sees verrichteten die Einheimischenihre täglichen Arbeiten, fischten nach Dagaa (kleinen Fischen im seichten Gewässer), wuschen ihre Wäsche oder duschten sich sogar im See. Kurz gesagt, der See wird von ihnen gut genutzt. Es war schön, die Einheimischen in ihrem alltäglichen Leben beobachten zu können und zu sehen, wie einfach die Menschen leben, und wie sie doch gleichzeitig alles haben, was sie brauchen. Ich freundete mich mit einem Mädchen namens Tumaini an, half ihr beim Wäsche waschen im See und ließ mir von ihr zeigen, wie man Dagaa fischt. Abgesehen von diesen Eindrücken kam auch das Urlaubsfeeling nicht zu kurz: Wir Freiwilligen spielten viel Gitarre auf der Veranda und sangen mehrstimmig dazu, schwommen im angenehm kühlen Wasser, ließen uns am heißen Strand von der Sonne bräunen und ließen die Abende mit Chipsi Mayai, mit Ei überbackene Pommes, und Gesprächen unter dem Sternenhimmel ausklingen. Unsere Truppe 

So war auch Silvester ein besonderer Abend, den wir mit Wunderkerzen und Wein am Strand verbrachten und noch bis in den frühen Morgen mit anderen Deutschen, Amerikanern und Tansaniern feierten. Am Morgen des 1. Januars waren wir alle dementsprechend müde, doch ließen es uns nicht nehmen, eine halbtägigeTour zu in den Bergen gelegenen Wasserfällen zu unternehmen. Der Weg dorthin war trotz drückender Hitze wunderschön und wir kamen an Gumben, naturgeformter Becken voller Wasser vorbei, über denen sich Dutzende exotischer, fremdartiger Schmetterlinge mit großen, bunten Flügeln tummelten. Am Ziel angelangt hatte sich unser Aufstieg mehr als gelohnt: Der Wasserfall floss aus grosser Hoehe in ein kristallklares,smaragdgruenes Becken, in dem wir uns erfrischen und abkühlen konnten. Auf dem Weg zu den Wasserfaellen Wasserfall 

Voll von schönen Momenten flog die Zeit nur so dahin, und am nächsten Tag ging es schon an die Abreise.

Für Kaddi und mich ging es allerdings noch nicht zurück an unsere Einsatzstelle, sondern auf ins nächste Abenteuer. Morgens um 6.00 machten wir uns mit einem heruntergekommenen,verlotterten Bus mit modrigen Vorhängen und Löchern in den Fensterscheiben, auf die lange, 1000-Km lange Strecke in den Norden Tansanias, nach Arusha. Nach 17 Stunden Busfahrt quer durchs Land kamen wir nachts in der Großstadt an und kamen für eine Nacht bei anderen Freiwilligen unter. Mir ging es seit der Busfahrt nicht mehr gut, ich hatte Fieber, mir war speiübel und mein Bauch versagte jegliches Essen. Dies wurde nicht besser, weshalb ich mich am nächsten Tag zittrig und elend allein in ein Taxi setzte, mit dem Vorsatz, mich zuerst mit der Mitfreiwilligen und sehr guten Freundin Annika zu treffen und dann ins Krankenhaus zu gehen. Während der Taxifahrt redete ich meinem Bauch gut zu, nicht in dieses Auto zu kotzen und nicht einzuschlafen, was zur Folge hatte,dass ich, als das Taxi nach zwei Stunden endlich anhielt, regelrecht aus dem Auto stolperte und vergaß, meinen Reiserucksack aus dem Kofferraum zu nehmen. Dieses Drama fiel mir allerdings erst abends auf, als ich erschöpft aus dem Krankenhaus kam (Diagnose: Typhus!) und gleichzeitig glücklich war, endlich bei Annika angekommen zu sein und ihre Einsatzstelle sehen zu können. Da es mir in den folgenden Wochen wegen des Typhus nicht gut ging, verbrachte ich viel Zeit mit Annika und Gabriela, der Mitfreiwilligen, im Zimmer redend oder lesend oder in deren Garten. Die beiden leben mitten auf einer Kaffeeplantage irgendwo im Nirgendwo, umgeben von wunderschöner, unberührter Natur und mit Blick auf den berühmten Ngorongoro-Krater, einem wunderschönen Nationalpark. Wir unternahmen Spaziergänge durch die Plantage, sahen Hunderte von Störchen als Zugvögel über den Himmel ziehen, und hörten nachts das Trompeten von Elefanten ganz in der Nähe. Der Wachmann des Anwesens wollte von uns deutsch lernen (besonders begeistert war er von dem Wort „Matschepampe“), brachte uns Wörter der regionalen Stammessprache Kiraq bei und erzählte uns von Begegnungen mit Löwen und Büffeln. Als es mir besser ging, half ich Annika und Gabriela in deren Kindergarten mit. Dieser ist erstaunlich gut eingerichtet, es gibt sogar Spielsachen und Lernmaterialien für die Kinder, was wohl ziemlich einmalig in Tansania ist. Die Arbeit machte mir Spaß und die Kinder wuchsen mir in dieser Zeit sehr ans Herz. Währenddessen traf meine Mitfreiwillige Kaddi, die Urlaub bei einer anderen Freundin in Arusha machte, eine Entscheidung, die mich ein bisschen schockte. Ich erfuhr, dass sie unsere gemeinsame Einsatzstelle in Tukuyu verlassen und nach Daressalam versetzt werden würde. Nun hatte ich die Wahl, mit ihr zu gehen oder allein in Tukuyu zu bleiben. Nach stundenlanger Überlegung entschied ich mich dafür, es alleine an meiner Einsatzstelle zu versuchen, war aber gleichzeitig sehr nervös und unsicher, ob ich mich richtig entschieden hatte. Bevor ich jedoch an meine Einsatzstellen zurückkehren würde, kam erstmal das Zwischenseminar unserer Gruppe, das vom 5. bis 11.Februar in Morogoro stattfand. Vor unserer Fahrt dorthin gönnten Gabriela, Annika und ich uns ausnahmsweise mal einen richtig touristischen Tag in der sehr westlich geprägten Großstadt Arusha. Wir gingen mexikanisch essen, kauften uns selbstgebackene Chocolate Chip Cookies und Milchshakes und betraten einen Supermarkt, in dem es Milkaschokolade, Katzenfutter und Bücher gab – kurz gesagt, Dinge, die sich kein Tansanier kaufen würde, und die mich deshalb sofort in deutsche Supermärkte zurückversetzten. Ehrlich, ich glaube das war der größte Kulturschock für mich seit meiner Ankunft in Tansania. Abends setzten wir uns auf die Dachterrasse unseres Backpackerhotels und genossen zum ersten Mal seit langem Burger mit Pommes. Ein Traum!

Als wir am nächsten Tag die 10-stündige Busfahrt nach Morogoro hinter uns gebracht hatten, war es eine große Freude, alle anderen Freiwilligen wiederzusehen und sich untereinander über die erlebte Zeit auszutauschen. Endlich konnte man die anderen wiedersehen!

Es war eine schöne Woche voller entspannter und schöner Momente, aber auch emotional eine wichtige Zeit, da man über alles Erlebte reflektierte und einem klar wurde, dass man schon die Hälfte geschafft hatte. Ein Highlight des Seminars war eine 11-stündige Wanderung durch die nahegelegenen Uluguru-Berge, die uns auf verschlungenen Wegen stets nah am Abgrund, durch saftige Landschaft und an Lehmsiedlungen von Einheimischen vorbei, zu einer kleinen Oase mit einem Wasserfall führte, an dem wir uns von den Strapazen der Wanderung erholten. Wanderung durch die Uluguru-Mountains

An den übrigen Tagen blieb uns Zeit, die Stadt Morogoro zu erkunden; wir bummelten die Straßen entlang, knabberten an saftig süßem Zuckerrohr und kauften uns Dila, lange bunte Gewänder, die man an Festtagen anzieht. Wie immer, wenn man eine schöne Zeit hat, verflogen die Tage nur so dahin und die Abreise zurück in die Einsatzstellen stand bevor. Nachdem ich mich ausführlich von allen Freiwilligen, die ich bis zum Rückflug nach Deutschland nicht mehr sehen würde, verabschiedet hatte, stieg ich mit allen Mbeya-Freiwilligen in einen Bus und genoss für dienächsten 12 Stunden die atemberaubenden, sich immer abwechselnden Landschaften vor dem Fenster. Wir saßen zu fünft in der letzten Reihe, was an sich super war, aber auch seine Nachteile hatte. Zwar konnten wir uns so super unterhalten, andererseits jedoch waren die Sitze der letzten Reihe erhöht, und da die tansanischen Straßen aufgrund vieler Zu-schnell-Fahrer oft von gewollten Hubbeln unterbrochen sind, hüpften wir bei jedem Hubbel von unseren Sitzen (gibt natürlich keine Anschnallgurte!) und mit den Köpfen gegen die Busdecke. Die Fahrt verlief also alles andere entspannt, ständig kam ein „Vorsicht, Hubbel!!!“, woraufhin sich alle duckten und an den Sitzen festkrallten.

Abends um 20 Uhr kam ich zum ersten Mal seit 1 ½ Monaten wieder an meine Einsatzstelle, diesmal alleine, und war dementsprechend nervös. Meine Aufregung schlug in Freude um, als dieHausmädchen mich begeistert begrüßten und die Schwestern verkündeten, sie hätten sogar mein Zimmer für mich geputzt. Ich war froh wieder da zu sein, denn irgendwie war Tukuyu für mich schon ein bisschen mein Zuhause geworden.

Die nächste Zeit, so komisch es für mich auch war plötzlich alleine zu sein, wurde schnell zum Alltag. Alles spielte sich ein und hatte einen monotonen, eher trostlosen Ablauf. Morgens in die Kirche, von 8 bis 12 Uhr auf die Arbeit,anschließend tagsüber gar nichts oder nur Chor. Obwohl ich meine Arbeit gewechselt hatte, nämlich vom Kindergarten in die erste Klasse der Grundschule, wurde diese nicht wesentlich besser. Unterricht

Anstatt 60 Kinder im Alter von 2-6 Jahren hatte ich jetzt plötzlich über 70 Kinder im Alter von 6-8 Jahren, was die ganze Situation nicht unbedingt erleichterte. Es sind einfach zu viele Kinder, um gut unterrichten zu können, sie sind noch klein und haben eine dementsprechend kurze Aufmerksamkeitsspanne, und so viel Energie auf einem Haufen sorgt meist für großes Chaos, Geschrei und Geweine. Dass ich unterdessen an der Tafel stehe und mich heiser schreie, in dem Versuch, die Geräuschkulisse der Kinder zu übertönen, interessiert diese nur geringfügig oder amüsiert sie sogar. Zudem teile ich mir den Unterricht mit einer anderen Lehrerin, die die Fächer Kiswahili und Mathe unterrichtet, und mich die meiste Zeit mit höflicher Verachtung straft. Oft darf ich gar nicht unterrichten, weil sie der Meinung ist, dass ihre Fächer wichtig sind als mein Englischunterricht, aber ich glaube, dass sie insgesamt nicht viel von Unterrichten hält, da sie den Großteil der Unterichtsszeit damit verbringt, die Kinder nacheinander ausführlich zu verprügeln. Das jeden Tag mit ansehen zu müssen, ist immer wieder aufs Neue furchtbar und ich glaube nicht, dass ich mich jemals daran gewöhnen kann. Umso mehr versuche ich den Kindern mit aufmunternden Worten und einem Lächeln den Unterricht zu versüßen, doch macht es die Schläge, die sie jeden Tag erwartet, auch nicht sanfter. Trotz der schwierigen Situation dort macht es mir aber Spaß, wenn ich doch mal eine einigermaßen erfolgreiche Unterrichtsstunde hatte und merke, dass manche Kinder ganz wissbegierig darauf sind, zu lernen. Leider kommt dies nur nicht allzu oft vor und oft fühle ich mich einfach weder gewollt noch gebraucht. Die Tatsache, dass ich hier ganz auf mich gestellt bin und niemand hier bei mir ist,der sich wirklich für mich interessiert oder mich als den Mensch, der ich bin, mag, kann einem sehr zu schaffen machen und es gibt Momente, da fühlt man sich allein und verloren in einer fremden Kultur unter Menschen, mit denen man zusammenlebt, und von denen man sich doch so ausgegrenzt und abgeschieden fühlt. Zudem kam hinzu, dass ich ab März permanent krank war. Nach mehrmaligen Krankenhausaufenthalten und meiner ersten Nacht in einem tansanischen Krankenhaus, wurde mir der krasse Niveauunterschied zu deutschenKrankenhäusern drastisch und unmittelbar bewusst, schon damit angefangen, dass die Ärzte eine geschlagene Stunde lang mit der Nadel meine Vene nicht trafen, und währenddessen fasziniert über meine auf der weißen Haut deutlich sichtbaren blauen Adern staunten. Mir wurde zum zweiten Mal Typhus diagnostiziert, zudem wurde ich von Würmern geplagt und als ob es nicht schon genug wäre, ließ ich mich Wochen später wegen erneuten Bauchschmerzen mit Ultraschall untersuchen und es wurde festgestellt, dass meine Gebärmutter entzündet ist, wer weiß wielange schon. All dies zehrte an meinen Nerven und die mangelnde Fürsorge der Schwestern endete damit, dass ich einen Großteil meiner Zeit allein in meinem Zimmer verbrachte und hoffte, dass bald alles besser werden würde. Bedürftig nach Kontakt und Menschen, die sich für mich interessieren, floh ich an den Wochenenden regelrecht zu anderen Freiwilligen an ihre Einsatzstellen und wäre am liebsten dort geblieben.

Ein schönes Erlebnis unter den vielen trostlosen war Ostern. Die Tage waren begleitet von festlicher Stimmung und das Haus der Schwestern wurde, wie schon an Weihnachten, auf Hochglanz geputzt und mit kitschigen Bändern und Plastikblumen geschmückt. Ein wahrer Marathon an Kirchenmessen ging los, teilweise mehrere am Tag, und innerhalb von 5 Tagen hatte ich ungefähr 18 Stunden in der Kirche verbracht. Allerdings sang ich wieder im Chor mit, was mir Spaß machte und die gttesdienste lebendiger und fröhlicher machte. Abgesehen vom Kirchegehen verbrachte ich die Ostertagemit, ja wer hätte das gedacht, backen. Oberschwester des gesamten Schwesternordens der Region war über die Feiertage zu uns gekommen und zusammen backten wir Unmengen von Kuchen, verschiedenen Kekssorten und sogar Pizza. Das war ein ziemliches Abenteuer angesichts der Tatsache, dass wir keinen Ofen, sondern nur eine Feuerstelle haben, aber mit ein bisschen experimentieren und einem improvisierten, selbst gebauten Ofen klappte das Backen tadellos. Und sowohl Kuchen als auch Pizza schmeckten ausgezeichnet! Bild Anfang Mai lief es mit meiner Gesundheit wieder besser und auch ansonsten ging alles wieder bergauf. Wieder fit und frischen Mutes ging ich zum ersten Mal seit langem wieder in den Chor und wurde begeistert und herzlich wieder aufgenommen. Da mein Kiswahili sich inzwischen deutlich verbessert hatte und ich mich besser ausdrücken konnte als noch am Anfang meines Freiwilligendienstes, konnte mich besser mit den Menschen unterhalten und eine gute Beziehung zu unseren Hausmädchen aufbauen. Zu denbeiden Mädels Veronika (11) und und Christina (13) waren inzwischen noch zwei weitere, nämlich Martina (22) und Emiliana (17) hinzugekommen. Mit ihnen verbringe ich viele Abende bei Kerzenlicht oder einfach vor der Feuerstelle und lache oder singe mit ihnen. Wir singen Lieder aus dem Chor oder ich bringe ihnen Lieder aus Deutschland bei. Christina geht in die 7.Klasse und muss viel lernen, weshalb ich ihr ab und zu bei Englisch helfe. Die Mädchen sind super und so schockiert ich auch darüber bin, dass sie von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends für die Schwestern schuften müssen, so sehr bewundere ich sie dafür, wie sie das meistern. Stets guter Laune und mitfühlend, während sie immer das selbe leisten müssen, Tag für Tag für Tag. Vielleicht noch ihr ganzes Leben lang.

Die Hausmaedchen Christina, Veronika und Emiliana Christina Christina

Ein weiterer Hoffnungsschimmer in meinem Alltag hier ist meine Beziehung zu Sista Lucy, der jüngsten Schwester, die seit Dezember hier bei uns wohnt. Mit ihrer energiegeladenen, fröhlichen, witzigen Art und ihrer Angewohnheit, im Haus herumzutanzen, kann man gar nicht anders als sie zu mögen. Im Gegensatz zu den anderen Schwestern behandelt sie die Hausmädchen respektvoll und freundlich, macht jegliche Arbeit, zu denen sich die anderen Schwestern im Traum nicht hinabbegeben würden,ohne zu murren, sitzt oft abends mit mir bei den Hausmädchen und kümmert sich immer darum, dass ich meine Medikamente nehme, wenn ich krank bin, dass ich heißes Wasser zum Duschen bekomme und dass es ab und zu europäisches Essen wie Nudeln für mich gibt. Zudem bringt sie mir Wörter aus den Stammessprachen, mit denen sie aufgewachsen ist, Kinyiha und Kisalamo, bei und ist hellauf begeistert, wenn ich sie darin anspreche. Ihre gute Laune und Energie ist ansteckend und gibt mir neue Motivation, alles immer wieder neu zu versuchen und jeden Tag wieder aufzustehen, mit dem Vorsatz, heute alles gut zu machen.

Zudem ist nach fast 3 Monaten fast das Ende der Regenzeit gekommen, welches ich wirklich kaum erwarten kann. Nachdem Tukuyu monatelang von grauen Wolken- und Nebelschleiern verhangen war und der Regen Tag für Tag fast ununterbrochen gegen die Fenster geprasselt hat,ist es jetzt endlich mal wieder Zeit, die Sonne zu sehen. Und meine Wäsche würde auch gerne mal wieder ganz trocknen. Alles war so grau, so düster, doch jetzt ist plötzlich alles wieder heller und freundlicher. Erstaunlich, wie viel Licht doch ausmachen kann. Letztes Wochenende habe ich mit anderen Freiwilligen mal wieder am Malawisee verbracht und zwei wundervolle Tage erlebt, wodurch meine restliche Trostlos-Phase vollkommen von mir abgefallen ist und mir wieder mal gezeigt hat, dass es sich lohnt, hier zu sein. Wir waren wieder im selben Strandhaus wie schon an Silvester, genossen das strahlende Wetter, den leuchtenden Sand und das kühle Wasser. Am Abend saßen wir ums Lagerfeuer am Strand, tranken Cocktails von einem netten Tansanier, spielten Gitarre und sangen dazu und redeten bis spät in die Nacht, während die Sterne über uns leuchteten und sowohl der Himmel als auch die Möglichkeiten unserer Zukunft endlos schienen. Alles schien möglich und in diesen Stunden war alles gut. Allein für solche Momente lohnt es sich, hier zu sein. Das war jetzt, wie immer, nur mal wieder ein kleiner Bruchteil meiner Zeit hier, aber ich hoffe, ich konnte euch zumindest eine vage Vorstellung über meine Eindrücke hier vermitteln. Inzwischen scheint die Zeit nur so dahinzurennen, seit fast 8 Monaten bin ich hier und in 2 Monaten sitze ich schon wieder im Flieger nach Hause.

Aber bis dahin gebe ich mein Bestes, um hier noch eine gute letzte Zeit zu haben und im Moment zu leben, denn nur darauf kommt es an.

Ninawakumbuka wote, Mungu awabariki!

Eure Tabea

Ein weiteres kleines Puzzlestueck aus meinem Leben :)

Donnerstag, 04.12.2014

So, hier bin ich mal wieder.

Eigentlich wollte ich schon lange schreiben und von meinen Erlebnissen berichten. Doch obwohl ich das Schreiben eigentlich liebe, faellt es mir hier sehr schwer, mich dazu zu motivieren. Vielleicht, weil Tansania einfach kein Land des Lesens und Schreibens ist - es ist ein Land des Redens, des Beisammenseins und des Miteinanders.

Ich weiss auch gar nicht, wo ich anfangen soll. Seit meinem letzten Blogeintrag ist so viel passiert. Inzwischen lebe ich seit ungefaehr 8 Wochen, also 57 Tagen in Tansania. Einerseits ist die Zeit bis jetzt wie im Flug vergangen, andrerseits kann ich mir ein anderes Leben als dieses momentan kaum mehr vorstellen. Das Leben hier unterscheidet sich einfach so gaenzlich von meinem Alltag in Deutschland, dass ich hier das Gefuehl habe, in einer anderen Welt zu leben.

Mein Tagesablauf hat sich inzwischen eingespielt: Morgens um 06.20 Uhr gehe ich (noch im Schlafmodus) in die Kirche und versuche verzweifelt, die in wahnsinnig schnellem Tempo heruntergeratterten Sprechgesaenge zwischen Pfarrer und Gemeinde (also 2 katholischen Schwestern und uns beiden Freiwilligen) mitzustottern. Nach der Messe geht es fuer die naechsten drei Stunden in den Kindergarten. Dort erwarten mich 60 voellig hyperaktive Kinder, die es gar nicht erwarten koennen, bis der Unterricht beginnt und sie mit dem Chaos beginnen koennen. Das Chaos besteht meistens darin, dass die Kinder aufeinander einschlagen, weinen, ihre Hefte zerreissen, im Klassenzimmer (von uns auch "Loch" genannt) herumrennen und durch lautes Schreien herausfinden wollen, wer von ihnen das groesste Stimmvolumen besitzt. Nachdem ich drei Stunden lang versucht habe, den Kindern bruellend das ABC auf Englisch beizubringen und "1+1" an den Haenden abzuzaehlen, entlasse ich sie uebergluecklich (und ohne Stimme) in die Freiheit. Kaum ist der Unterricht zu Ende, verwandeln sich die kleinen Monsterchen binnen Sekunden in unschuldige, suesse, liebe Dinger, die mit dir kuscheln wollen, dir durchs Haar streichen, dich an die Hand nehmen und dir auf dem Nachhauseweg so viele schoene exotische Blumen pfluecken, dass du gar nicht weisst, wohin damit. So geht man also jeden Morgen mit gemischten Gefuehlen in den Kindergarten.

Magereza Primary School Teaching in Kindergarten Very motivated kids ;) Blessi

Nach dem Unterricht erledigen wir im Haus der Schwestern jegliche Arbeit, die anfaellt: Wir fegen Hof und Garten (ja, ernsthaft den Garten. Macht wirklich viel Sinn, auf Erdboden und Gras zu fegen.), putzen das Haus, spuelen Geschirr, waschen die Waesche (natuerlich im Eimer - wer haette gedacht, dass man eine Waschmaschine so vermissen kann!) und helfen beim Kochen. Die tansanischen Gerichte zu erlernen macht Spass und die meisten schmecken mir wirklich gut, auch wenn es anfangs etwas gewoehnungsbeduerftig war, dass saemtliche Speisen vor Fett nur so triefen. Ein einziges Mal haben Kathi und ich bisher deutsches Essen gekocht - und festgestellt, dass es wahrscheinlich auch eins der letzten Male war.

Deutsch kochen mit fleissigen Helfern ;)

Deusche Speisen, und seien es auch nur einfache wie Ruehrei, Kaiserschmarrn (okay, das ist eigentlich oesterreichisch, aber das wissen die Tansanier ja nicht) und Reibekuchen, sind, wenn man weder Herd noch Ofen noch sonstige Kuechengeraete, sondern nur eine Art Feuerstelle zur Verfuegung hat, unglaublich schwer in die Tat umzusetzen. Kein Wunder also, dass das Schwierigkeitsniveau, wenn es um die Zubereitung von tansanischen Gerichten geht, ungefaehr gerade so gross ist, dass selbst 5-Jaehrige diese kochen koennten. Meistens laueft das Kochen naemlich folgendermassen ab: Man waescht und schneidet betreffendes Obst oder Gemuese (z.B. Bananen, Kartoffeln, Tomaten, etc.), gibt es in eine Pfanne und ertraenkt es in Unmengen von Oel. Nachdem das Gemuese auf alle Faelle ertrunken ist, nimmt man es hinaus und gibt es in einen Topf, den man auf den Esstisch stellt. Fertig. Gewuerze oder gar Sossen sind nicht noetig, je weniger Geschmack, desto besser. Ausser vielleicht, wenn es um "pilipili" geht, Chili, von dem die Schwestern teilweise so viel in ihre Teller schuetten, dass ich Mitleid mit dem Essen kriege. Wenn ich hingegen ein paar Prisen Salz ueber meinen Teller streue, ist diese absonderliche Essgewohnheit von mir gleich mal fuer die naechsten 15 Minuten Gespraechsthema Nummer 1 am Esstisch. Dann wird auch mal wieder (ungefaehr zum 100. Mal) darueber gelacht, dass ich eines Abends eine halbe Chilischote in meinem Salat uebersehen habe und die restliche Zeit vom Abendessen hustend, keuchend und mit roten Augen am Esstisch sass, waehrend Kathi vor Lachen fast vom Stuhl fiel.

Eine Sache, die mir aufgefallen ist: In Tansania braucht man fuer alles so unglaublich lange. Fuer saemtliche Taetigkeiten benoetigt man hier einen viel groesseren Zeitaufwand als in Deutschland und deshalb schafft man pro Tag dementsprechend wenig Arbeit. Beispielsweise dauert das Waesche waschen, wenn man nur seine Haende und ein Stueck Seife besitzt, mehrere Stunden - In Deutschland wuerde man einfach alles in die Waschmaschine stopfen und es zwei Stunden spaeter aufhaengen. Das Grundstueck zu fegen ist mit ein paar zusammengebundenen Reisigzweigen wesentlich schwerer als mit einem Besen; und Gemuese mit kaputten Klingen zu schneiden, ist ein wahres Kunststueck. Einkaeufe wie Klopapier, Taschenlampe und Regenschirm erfordern wahnsinnig viel Zeit und Geduld: Zuersteinmal muss man in dem bunten Marktgewimmel nach den benoetigten Gegenstaenden suchen und dann mit den Haendlern um einen Preis feilschen, der nicht voellig in den Wolken schwebt.

Gleichzeitig scheint hier alles simpler und gelassener, locker - friedlicher.

Man braucht viel Geduld, wenn man hier leben will. Auch an Flexibilitaet darf es einem nicht mangeln. Wenn man diese beiden Eigenschaften besitzt, faellt es einem manchmal gar nicht so schwer, in die tansanische Kultur einzutauchen. Man muss sich anpassen, sich von der bunten, lauten Welt Afrikas treiben lassen und die Dinge auf sich zukommen lassen. Ich liebe das lebhafte, farbenfrohe Gewusel auf dem Markt, die Staende voller Obst, Gemuese, Gewuerze, Kleidung, Schuhe und die Verkaeufer, die jeden mit einem einladenden "Karibu" ("Willkommen") begruessen. Ich liebe es, in einem Laden von hunderten, schillernden, farbenspruehenden Stoffen umgeben zu sein und mir daraus von einer netten Frau schneidern zu lassen, was auch immer ich gerne tragen moechte. Ich liebe es, dass, wenn ich im Bus sitze und nicht weiss, an welcher Station ich aussteigen soll, die Menschen mir ohne zu zoegern helfen wollen und mir an jeder Station geduldig aufs Neue erklaeren, dass ich an dieser Stelle noch nicht aussteigen soll. Ich liebe es, wie vorbeilaufende Kinder sich freuen, wenn ich sie einfach nur anlaechle. Ich liebe es, jeden Morgen aufzustehen und den Sonnenaufgang zwischen den Baeumen beobachten zu koennen.

Und ich liebe die Landschaft meines neuen Zuhauses: Tukuyu ist ein kleines, lebhaftes Staedtchen, das in einer malerischen Landschaft liegt. Es ist umgeben von einer sanft geschwungenen gruenen Huegellandschaft voller Bananenpalmen und Teeplantagen. Ueberall wachsen Baueme mit exotischen Fruechten: Mangos, Papayas, Avocados... Kleine, bunte Voegel huepfen herum und zwitschern unbekannte, lebhafte Melodien. Am Horizont kann man ein Relief aus gewaltigen Bergen erblicken, hinter dem Abends die Sonne verschwindet, nachdem sie ihre dunkelroten Strahlen an den Himmel gemalt hat. Diese tropische Landschaft ist einfach wunderschoen und es verschlaegt mir jeden Morgen aufs Neue den Atem, dass ich fuer eine Weile in ihr leben und diese Schoenheit geniessen kann.

Doch natuerlich lebe ich nicht nur wegen der Landschaft gerne hier: Inzwischen haben wir uns auch schon mit ein paar Leuten angefreundet. Abgesehen von uns beiden gibt es noch andere Freiwillige aus verschiedenen Laendern, die hier in der Umgebung leben und arbeiten. Vor ein paar Wochen haben wir eine 24-jaehrige Amerikanerin namens Beth kennengelernt, die in einem Nachbarort von Tukuyu lebt und in einer Secondary School arbeitet. Letzten Freitag hat sie uns zu Thanksgiving (einem in den USA sehr grossen Feiertag, an dem man normalerweise Truthahn isst) eingeladen und zusammen mit vier anderen Amis haben wir den Tag gebuehrend gefeiert. Es gab ein wahres Festmahl fuer unsere Baeuche: Pizza (in einer zu einem Ofen umfunktionierten Pfanne gebacken), Gemuese und Chips mit Dip, Apple Pie mit Zimt, Bananen mit Honig und Erdnussbutter, und als Abschluss Spaghetti. Kurz gesagt: Endlich mal wieder richtig normales Essen. An Thanksgiving ist es Tradition, sich so richtig vollzufressen, und als wir uns so fuehlten, als ob wir gleich platzten, kamen wir langsam ins Gespraech. Dabei ging es um die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA und um Stereotypen, die wir vom jeweils anderen Land hatten. Genannte Stereotypen ueber Deutschland waren folgende: Wir sind extrem intelligent, strukturiert und diszipliniert; ausserdem sind wir immer puenktlich (dementsprechend waere ich also nicht deutsch). Zudem fahren wir nur teure Autos und sind aeusserst modern. Zwei, meiner Meinung nach, extrem eigenartige Stereotypen sind ausserdem, dass wir Deutschen unser Bier warm trinken (Wer bitte tut das?!) und weitestgehend emotionslos sind (demzufolge sind wir anscheinend Aliens). Auf alle Faelle war es sehr interessant, sich untereinander auszutauschen und zu erfahren, was andere so ueber einen denken. Und vielleicht konnten wir ihnen zeigen, dass wir nicht voellig emotionslos sind. ;) Abends haben wir mit Tassen voller Wein auf den Abend angestossen und es einfach mal genossen, sich in Gesellschaft von Gleichgenossigen zu befinden, und einen Abend mal nicht angestarrt und "Wazungu" ("Weisse") genannt zu werden.

Die naechsten Tage trafen wir uns wieder mit den Amerikanern, und da in Tansania seit dieser Woche die Sommerferien fuer alle Kinder begonnen haben, hatten wir Zeit und liessen uns am Montag von ihnen auf einen Trip zu einem Vulkankratersee in der Naehe einladen. Die Umgebung von Tukuyu besteht naemlich praktisch aus (teilweise immer noch aktiven) Vulkanen, weshalb der Boden aeusserst fruchtbar und viele Naturschoenheiten zu bewundern sind. Wir trafen uns morgens mit den Amis in Tukuyu und beschlossen, mit einem sogenannten Bajaji, kleinen, extrem langsamen und klapprigen Fahrzeugen auf 3 Raedern, zum Kratersee zu fahren. Das Bajaji hatte keine Fensterscheiben, weshalb man einen ungetruebten Ausblick nach draussen auf das bunte Marktreiben, und, nach Verlassen der Stadt auf die wunderschoenen gruenen Huegel hatte. Allerdings ruckelte beim Fahren ueber die ungeteerten, steinigen Strassen das Fahrzeug so stark, dass wir auf unseren Sitzen herumhuepften und uns krampfhaft festklammerten, um nicht seitlich aus dem Bajaji herauszufallen.

Eine Sache, die in Tansania wahnsinnig gefaehrlich ist: Die Strasse. Auf der Strasse verhalten sich die Tansanier nicht mehr menschlich; sobald sie hinter dem Steuer eines Fahrzeugs sitzen, geht es nur noch darum, wer am schnellsten und am riskantesten faehrt, wer am oeftesten ueberholt und am wenigsten auf aeussere Umstaende wie ueber die Strasse laufende Menschen und Tiere achtet. Tatsaechlich sind Tansanias Strassen eine der gefaehrlichsten auf der ganzen Welt. Woran das liegt? Keine Ahnung, aber hier stehe ich regelmaessig Todesaengste aus, wenn wir uns in einem Fahrzeug befinden, dessen Fahrer wie wahnsinnig um eine Kurve rast und sich dabei auf der falschen Strassenseite befindet.

Jedenfalls rasten die LKWs in rasantem Tempo und ungefaehr 5cm Abstand an unserem winzigen Bajaji vorbei und liessen mein Herz jedes Mal schneller huepfen. Als wir nach ungefaehr 45 Minuten endlich oberhalb des Sees anhielten, fuehlten sich meine Beine an wie Wackelpudding und in meinen Ohren rauschte es. Ich uebertraf meine, sowieso schon ueberdurchschnittlich grosse Tollpatschigkeit noch um einiges, indem ich es schaffte, dreimal innerhalb von ein paar Stunden hinzufallen und mir beim Abstieg zum Kratersee zweimal den Fuss umzuknicken, sodass ich den restlichen Tag damit verbrachte, den anderen hinterherzuhinken. Alles in allem war das den Ausflug allerdings mehr als wert. Der Anblick des Kratersees war wunderschoen. Der Himmel spiegelte sich in der glatten Oberflaeche des Sees, der wie ein riesiger Spiegel vor uns lag. Die Sonne brachte die Gruen- und Blautoene des klaren Wassers deutlich hervor und weckte in mir die Sehnsucht, darin einzutauchen. Umgeben war der kreisfoermige See von grasigen Ufern und mehreren felsigen Straenden. Eine dschungelartige Wildnis umschlang den See und dessen Idylle und schirmte einen von der Rest der Welt ab. Waehrend wir um den Masoko Kratersee herumliefen, hoerten wir des Oefteren exotische Schreie aus dem Urwald neben uns, die eindeutig von den Affen stammten, die zwischen den Zweigen herumkletterten und empoert ueber unser Eindringen in ihr Revier waren. In den Baumkronen nisteten Adler, die mit ihren riesigen Schwingen Kreise am Himmel zogen. An den Ufern des Kratersees waren mehrere Einheimische damit beschaeftigt, ihre Waesche zu waschen. Deren Kinder genossen es unterdessen, sich gegenseitig im Wasser unterzutauchen und vergnuegt herumzukreischen - Kinder eben. Wir suchten uns eine ruhige Stelle und verbrachten dort die naechsten paar Stunden in genuesslicher Stille. Es war so ruhig, so friedlich, so abgeschnitten von allem. Eine kleine Oase.

Als wir uns schliesslich mit dem Bajaji auf den Rueckweg machten, war ich immer noch extrem gelassen und zufrieden. Das aenderte sich jedoch schlagartig, als das Bajaji nach ca. 5 Minuten beschloss, dass 6 auf engstem Raum zusammengequetschte Personen ihm eindeutig zu viel waren und es seinen Geist aufgab. Wir schoben es ein Stueck den Berg hoch, und beschlossen anschliessend zu Fuss zu gehen, waehrend der Bajaji-Fahrer bei seinem Fahrzeug blieb und versuchte, es wieder in Schuss zu kriegen. Als wir eine Weile durch die Pampa gelaufen waren und nichts ausser Urwald und dem Feldweg vor uns sahen, kam ein ein LKW-Fahrer an uns vorbei, der tatsaechlich anhielt und uns ohne zu Zoegern einsteigen liess und uns sogar Mangos anbot. Wieder einmal erstaunt ueber die Gastfreundlichkeit der Tansanier verbrachten wir die naechsten 20 Minuten in erleichtertem Schweigen ueber unsere Mitfahrgelegenheit. Als der Fahrer schliesslich in eine andere Richtung musste, setzte er uns ab (ohne Geld von uns anzunehmen) und wir machten uns wieder an den anstrengenden Fussmarsch durch die bergige Landschaft. Ab und zu kamen wir an ein paar Lehmhuetten mit Strohdaechern vorbei, deren Bewohner uns anstarrten, als waeren wir die ersten Weissen, die mit roten Gesichtern und verschwitzt die Strasse entlang an ihnen vorbeiliefen. Und wer weiss, vielleicht waren wir das ja auch. Unterdessen hofften wir immmer darauf, dass uns Fahrzeuge mitnehmen wuerden, aber natuerlich waren wir auf einer wenig befahrenen Strasse unterwegs, und liefen eine ganze Weile, ohne einem weiteren Fahrzeug zu begegnen. Als wir endlich Motorengeraeusch hinter uns wahrnahmen, fuhren wir erleichtert herum - und stoehnten auf. Unser Bajaji hatte aufgeholt und kaempfte stotternd mit der Ansteigung, die es zu uns fuehren wuerde. Mangels einer weiteren Mitfahrgelegenheit stiegen wir erneut ein und schafften ungefaehr 10 Minuten im Schneckentempo, bevor es wieder stehenblieb. Nach mehreren Stunden und einer Fahrt in einem weiteren Bajaji hatten wir die Gesamtstrecke von 15km (in Deutschland waeren das also knapp 10 Minuten mit dem Auto) endlich geschafft und Tukuyu erreicht. Obwohl der Tag, vor allem am Ende, anstrengend gewesen war, war es doch eine neue Erfahrung, und im Nachhinein auch eine recht lustige.

Ich schreibe mal wieder viel zu viel und da ich versproche habe, mich dieses Mal kuerzer zu fassen, hier nur noch ein weiteres Erlebnis: Letzten Samstag hatten wir zum ersten Mal ein schwesternfreies Haus und also sturmfrei! Das haben wir so richtig genossen. Somit durften wir selbst entscheiden, was wir zu Mittag kochen, und haben uns schliesslich fuer Spaghetti mit selbstgemachter Tomatensosse, Omelett und eine Art Pommes entschieden. Drei Stunden spaeter waren wir erschoepft, hatten aber alles fertig. Allerdings waren wir nicht allein im Haus: Seit ein paar Tagen wohnte ein 11-jaehriges Maedchen im Katholischen Jugendzentrum, das sich unmittelbar neben dem Haus der Schwestern befindet. Jeden Tag hoeren wir das Maedchen schon ab 05.30 Uhr morgens das Grundstueck fegen, kochen und putzen. Allerdings war sie sehr schuechtern und es wurde ihr nicht erlaubt, mit uns zu essen. Waehrend die Schwestern und wir beiden Freiwilligen also am Esstisch sassen, musste das Maedchen jeden Tag alleine in der russigen, rauchigen Kueche essen. An dem Tag jedoch, als die Schwester nicht zuhause war, traute sich das Maedchen endlich mit uns zu sprechen. Sie erklaerte, dass sie keine Familie habe, mit der Grundschule fertig war und nun hier leben wuerde. Sie habe keinen Namen und wuerde deshalb immer nur "Sista", Schwester, genannt. Ich hatte Mitleid mit ihr. Welches 11-jaehrige Kind in Deutschland waere so selbstaendig und stark wie dieses Maedchen? Es hat niemanden, dem es wichtig ist, und muss abends alleine in einer kleinen Kammer direkt neben den (stinkenden) Toiletten uebernachten. Niemand sagt ihm gute Nacht oder weckt es am naechsten Morgen. Trotzdem beginnt das Maedchen jeden Morgen seine Arbeit ohne zu murren, laechelt uns an und macht so Tag fuer Tag weiter. Als sie uns dies erzaehlte, und das Essen dampfend auf dem Tisch stand, beschlossen wir, zusammen mit ihr in der Kueche zu essen (denn sie weigerte sich partout, mit uns am Tisch zu essen, da ihr das ja verboten war). Wir setzten uns also alle auf wacklige Holzhocker um die Feuerstelle und assen einvernehmlich das leckere Essen. Nachher liessen wir es uns nicht nehmen, eine Packung Kekse und Nutella zu holen und dem Maedchen in Nutella getunkte Kekse anzubieten.

Ich habe es noch nie so strahlen sehen.

Seit diesem Nachmittag laechelt das Maedchen uns jedes Mal an, wenn wir vorbeigehen und unterhaelt sich leise mit uns. Ausserdem hilft sie uns, indem sie uns geduldig und in extra langsamem Kiswahili erklaert, was die Schwester von uns will. Gestern machte sie mich darauf aufmerksam, dass der Himmel zugezogen habe und es jeden Moment zu regnen anfangen wuerde; wir sollten am besten sofort unsere Waesche abhaengen. Ich ging mit ihr nach draussen und sah, dass sie Recht hatte: Es war richtig duester geworden, die Gewitterwolken hingen bedrohlich am Himmel und ausser uns war keine Menschenseele mehr draussen. Hastig begannen wir die Waesche abzuhaengen und als ein gleissender Blitz den Himmel erhellte, unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetaeubenden Donnerschlag, erschrak ich so, dass ich vor Schreck fast die Waesche fallen liess und wir beide in Lachen ausbrachen. Neulich erklaerte die Schwester dem Maedchen, dass es sich einen Namen fuer sich selbst aussuchen konnte, damit man sie nicht mehr nur Sista nannte. Das Maedchen entschied sich nach kurzer Ueberlegung fuer "Veronika" und jedes Mal, wenn wir sie so nennen, freut sie sich.

Ich habe verstanden, dass es unglaublich schwierig, nein, eigentlich unmoeglich ist, diesem Land zu helfen. So viel laeuft hier falsch, es passieren so viele schlimme Dinge, und Menschen sind in ihrer Meinung so festgefahren, dass es schwierig ist, ihnen unsere Denkweise verstaendlich zu machen. Aber ich glaube, dass ich meine Zeit hier dazu nutzen kann, ein paar wenigen Menschen zu helfen, und sei es auch nur damit, sie ein paar Mal oefter zum Laecheln zu bringen. Solange ich ein paar Menschen hier gluecklicher machen kann, wird es diese 10 Monate wert gewesen sein.

Fun with some kids :) Fun!

Es fehlen noch so viele Geschichten, die ich euch gerne erzaehlen wuerde, aber ich glaube, das verschiebe ich lieber auf naechstes Mal. Ich sitze naemlich schon seit ueber drei Stunden in einem kleinen, heruntergekommenen Internetcafe, in welchem der Strom staendig ausfaellt. Draussen regnet es gerade in Stroemen (bald geht hier naemlich die Regenzeit los) und neben mir sitzt ein Tansanier, dem ich eben versprochen habe, dass ich ihm Deutsch und Franzoesisch beibringen werde. ;) Jetzt dann werde ich auf den Markt zu meiner Schneiderin gehen, und mein (hoffentlich fertiges) geschneidertes Kleid abholen.

Ich hoffe, euch geht es genauso gut wie mir, und ihr geniesst die vorweihnachtliche Stimmung. Von der bekomme ich hier naemlich so gut wie gar nichts mit, da es hier an Dekoration, Schnee und vor allem Kaelte fehlt. Koennt ihr euch ein heisses Weihnachten vorstellen? Ich mir irgendwie noch ueberhaupt nicht. Aber das werde ich ja bald herausfinden.

Von dem her, bis zum naechsten Mal - tutaonana tena!

Tabea

Juhuu, ich lebe noch!

Dienstag, 21.10.2014

So, hier kommt er endlich: Mein erster Blogeintrag in Tansania!

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich überhaupt anfangen soll. Seit den 2 Wochen, die ich nun schon in Afrika bin, sind eine Menge Eindrücke auf mich eingestürmt, es gab so viel zu sehen und aufzunehmen. Das Land hat mich von erster Sekunde an in seinen Bann gezogen und fasziniert.

Am besten beginne ich am Anfang: Die Hinreise zum Frankfurter Flughafen verlief ohne Probleme, und war eher emotional eine Hürde, da man sich endgültig (zumindest für die nächsten 10 Monate) von seiner Familie verabschieden musste. Etwas traurig, aber auch gefasst traf ich auf die anderen Freiwilligen, die mit mir im Namen von Caritas nach Tansania fliegen und dort einen Freiwilligendienst leisten würden. Es war schön, alle wiederzusehen, denn wir hatten uns alle schon in mehreren Seminaren (diverse Sprachkurse und Vorbereitungsseminare) gut kennengelernt und unser gemeinsamer Traum verband uns. Das Einchecken verlief gut und um 22:05 Uhr startete unser Flieger.

Die Reise ins Unbekannte hatte begonnen.

Vorfreude, Müdigkeit und ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit hielten sich die Waage, und ich vertrieb mir die Zeit damit, Filme zu schauen und ein letztes Mal deutsches Essen von Lufthansa zu genießen. ;) Als wir nach 7 Stunden Flugzeit schließlich in Addis Abeba, Äthiopien, zwischenlandeten, ergriff die Vorfreude siedend heiß Besitz von mir und ich betrachtete überwältigt meinen ersten afrikanischen Sonnenaufgang, der sich in orange-roten Farben am Himmel abzeichnete. Dabei musste ich ständig denken: „Wahnsinn, du bist wirklich in Afrika!“ Das Gefühl war unglaublich.

Allerdings schwand dieses Gefühl auch recht schnell wieder, da ich die Nacht durchgemacht hatte, nun völlig übermüdet war und außerdem noch fror, da es zu unsrer aller Überraschung am Flughafen von Äthiopien nur 14° Celsius hatte. Der Flughafen war laut und bunt, und ich machte meine ersten Erfahrungen mit absolut widerlichen Toiletten. ;) Unsere Gruppe verzog sich in eine ruhige Ecke, wo wir uns die Zeit bis zu unserem Weiterflug hauptsächlich mit Schlafen und Reden vertrieben. Nach vier Stunden des Wartens ging es endlich in den nächsten Flieger, der uns nach Tansania brachte. Als wir schließlich um 13.30 Uhr tansanische Ortszeit (eine Stunde weiter als unsere Zeitzone in Deutschland) in Dar-es Salaam, der meistbevölkerten Stadt Tansanias, die an der Küste liegt, ankamen, konnten wir es gar nicht mehr erwarten, endlich rauszukommen. Vorher mussten wir aber noch eine Menge Papierkram erledigen und uns etlichen Kontrollen unterziehen. Als wir (endlich!) aus dem Flughafen traten, empfing uns ein Hitzeschwall und eine Masse lauter, dunkelhäutiger Menschen. Für unsere Gruppe standen zwei Dalla Dallas (Kleinbusse) bereit, wir stiegen ein und los ging die Fahrt durch Dar-es Salaam. Mein erster Eindruck von Tansania war: Alles war so lebendig. Überall gab es was zu sehen, es war ein Chaos von Farben, Gerüchen und durcheinanderlaufenden Menschen. Menschen, die am Straßenrand entspannten und sich unterhielten, Menschen die Bretter zusammennagelten und Körbe verkauften, sogar eine Menge Menschen, die auf der Fahrbahn zwischen den Fahrzeugen herumliefen und an die Fenster klopften, um Getränke, Chips, Handtücher, Sonnenbrillen, Schuhe, Brot, Kleidung (bevorzugterweise Unterwäsche) oder was sie auch sonst so an Waren dabeihatten, an uns loszuwerden. Dabei waren, was die Art der Ware betraf, keine Grenzen gesetzt. Allerdings starrten nicht nur wir wie gebannt auf das herumwuselnde Geschehen, sondern wurden selbst permanent angestarrt. In den 5 Stunden, die wir mit dem Bus fuhren, sahen wir nicht ein einziges Mal einen Weißen herumspazieren, so waren wir als ganzer Bus voller „Wazungu“ (Weißer) natürlich eine Sensation. Der Verkehr war ein lautes Chaos, anstatt Schildern und Ampeln bestand die Verständigung untereinander vor allem aus lautem Hupen (meistens mehrmalig und langgezogen). Teilweise versuchten sich Fahrzeuge von anderen Straßen in die schlängelnde Masse der Fahrbahn zu drängen, wodurch wir des Öfteren nur knapp einer Massenkarambolage entgingen. Voran kamen wir ungefähr im Schneckentempo. Das gab uns immerhin genug Zeit, das Industriegebiet der größten Stadt Tansanias und dessen dort lebende Menschen ausführlich zu betrachten. Es war eine äußerst ärmliche Gegend, an die vielen Fabriken reihten sich winzige Hütten aus Wellblech, die eher nach Ruinen als nach Wohnungen aussahen. Als wir nach ein paar Stunden Dar-es Salaam verlassen hatten und durch die Landschaft fuhren, wurden die Zustände, die wir zu sehen bekamen, sogar noch schlechter. Die vielen Siedlungen, an denen wir vorbeifuhren, bestanden oft nur aus wenigen Hütten, die mit Hilfe von Lehm und Stöcken gebaut waren und oft so schief waren, dass man Angst haben musste, dass sie gleich in sich zusammen fallen würden (was sie teilweise bestimmt auch taten). Schockierend war auch, dass manche Häuser sogar aus Müll gebaut worden waren, die Abfälle waren ganz einfach in die Wände integriert worden. Tiere und kleine Kinder liefen zwischen den winzigen Bauten herum, ab und zu brannte ein Lagerfeuer vor einer Hütte. Menschen saßen darum und unterhielten sich, andere arbeiteten, fegten den Boden und zerschnitten Holzplanken. Man fühlte sich wie in einen Film über Afrika hineinversetzt. Es gab so viel zu sehen. Das ganze Leben der Menschen schien auf der Straße stattzufinden. All das zu beobachten, entsetzte und faszinierte mich zugleich. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Menschen wirklich so lebten. Verrückt war auch der Kontrast zwischen den niedrigen Lebensstandards der Menschen und der atemberaubenden Landschaft. Es war so grün! Überall standen riesige Bananenpalmen auf Wiesen mit sanften Hügeln, ab und zu konnte man kleine Seen erkennen. Es war wunderschön. Gleichzeitig fragte ich mich, ob die Menschen, die in solch einer Landschaft leben, diese Schönheit vielleicht gar nicht wahrnehmen, weil sie sich daran gewöhnt haben oder einfach, weil sie zu beschäftigt damit sind, zu überleben.

Ein weiterer Schock auf der Busfahrt nach Morogoro, unserem vorläufigen Reiseziel, waren die Buschbrände, die wir beobachteten, als wir durch trockene, staubige Ebenen mit vereinzelten Sträuchern fuhren. Man sah es lichterloh brennen, doch gleichzeitig konnte man nichts dagegen tun, es gab niemanden, den man anrufen konnte, um das Feuer zu stoppen. All diese Eindrücke stürmten auf mich ein und mussten erst einmal verarbeitet werden. Als wir abends um 20Uhr endlich in Morogoro, einer schönen Stadt unterhalb von gewaltigen Bergen, ankamen, war ich ausgelaugt und erschöpft. Ich war froh, dass wir in der ersten Woche noch gemeinsam als Gruppe in einem christlichen Seminargelände untergebracht waren, denn so hatten wir Zeit, uns in Tansania einzuleben und schon ein bisschen etwas von der Kultur dort mitzubekommen, bevor wir in unsere Einsatzstellen geschickt wurden. Zum Glück war unsere Unterkunft dort recht komfortabel, es gab sogar Duschen und Toiletten, und die Menschen, die uns betreuten, gaben sich viel Mühe mit dem Essen. Außerdem war die Landschaft, in dem sich unser Haus befand, ein Paradies. Überall diese tollen Palmen, auf denen kleine Äffchen herumsprangen, die Sonne strahlte Wärme aus, und im Hintergrund erhoben sich die gewaltigen Uluguru-Berge. Wahnsinn! Insgesamt betrachtet war diese Inkulturationswoche eine super Zeit! Wir hatten viel Spaß zusammen, spielten Spiele, kauften uns Kitenge (bunte Tücher, die zu allem möglichen benutzt werden) und gingen in der Stadt bummeln und Cola trinken.

Das Highlight war die Safari im Mikumi Nationalpark. Wir fuhren früh los, um so viele Tiere wie möglich noch im Morgengrauen beobachten zu können, und konnten schon auf der Hinfahrt zum Nationalpark den Anblick von Antilopen, Zebras und über die Straße laufenden Giraffen genießen. Und vor allem: Affen. Affen, die am Straßenrand saßen und darauf warteten, Sachen zu stehlen. Ihre Strategie bestand vor allem darin, auf die Ladefläche vorbeifahrender Trucks zu springen, und sich dann die Güter, die sie gerne wollten, auszusuchen und mitzunehmen. Im Park selber sahen wir dann auch noch Löwen, Nilpferde, Giraffen, Zebras, Krokodile, Antilopen, Gnus (die in Tansania „zero brain“ genannt werden, weil sie anscheinend so dumm sind) und Elefanten aus nächster Nähe. Es war fantastisch! Obwohl die Giraffen und Elefanten mich am meisten beeindruckten, machten die Affen doch die meiste Show. Als wir im Freien im Park frühstückten, schnappte sich ein Affe eine Banane vom Buffet, und kam, nachdem er sie verzehrt hatte, wieder zurück, um den geeigneten Zeitpunkt für eine neue Attacke abzuwarten. Trotz mehrerer Kellner, die mit Stöcken bewaffnet vor dem Buffet standen, schaffte es der Affe nach einiger Zeit erneut, sich Essen zu holen; diesmal war es ein Ei, das er siegessicher in die Luft streckte, bevor er sich mit seiner Beute auf und davon machte. Viele solcher kleiner schöner Erlebnisse machten den Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Ankunft im Mikumi National Park            

Giraffen sind so elegant, nicht wahr? Zebras! Ein kleiner, sehr suesser Affe :)  Gazellen Atemberaubende Landschaft The Wild Lion Loewin nach einem Schlaefchen :)  Zero Brain! Safari! Elefantenfamilie So schoen!

So vergingen die Tage sehr schnell und am Montag, dem 14.10. war die Zeit für den Abschied von den anderen Freiwilligen gekommen. Nun wurde es ernst: Wir würden endlich unsere Einsatzstellen zu sehen bekommen und die Menschen kennenlernen, mit denen wir die nächsten 10 Monate verbringen würden! Montagmorgen um 8.30 Uhr ging für mich die Reise los. Oder besser gesagt, sollte sie zumindest. Eins der vielen Dinge, an die man sich hier gewöhnen muss, ist die Gelassenheit der Afrikaner, besonders wenn es darum geht, pünktlich zu sein und Termine einzuhalten. Uhrzeiten werden meistens gar nicht erst ausgemacht, und wenn doch werden sie wohl wieder vergessen – zumindest könnte man sich damit erklären, warum Busse erst nach Stunden oder auch überhaupt nicht auftauchen. Unserer tauchte glücklicherweise irgendwann noch auf, und nachdem wir wieder abgesetzt worden waren und nochmal zwei weitere Stunden auf einen neuen Bus warten mussten, ging die Fahrt erst richtig los. Das Thermometer im Bus zeigte 36° an und ich freute mich schon sehnlichst auf die gemäßigteren Temperaturen, die mich, wie ich wusste, an meiner Einsatzstelle in Tukuyu erwarten würden. Nach insgesamt 14 Stunden kamen wir endlich an dem Ort an, wo ich die nächste Zeit leben werde. Vor dem Haus warteten schon die katholischen Schwestern, die uns herzlich begrüßten. Das Haus selbst ist gemütlich und die Einrichtung erinnert einen an das Haus seiner Oma: Auf den dick gepolsterten alten Sofas liegen Dutzende von Häkeldeckchen und auch sonst ist alles recht altmodisch eingerichtet. Das Schlafzimmer, in dem ich zusammen mit einer anderen Freiwilligen, Katharina, schlafe, ist sehr klein, aber sauber, und wir haben immerhin einen Schrank und ein nicht funktionierendes Waschbecken. ;) Das Bad könnte man sich komfortabler vorstellen als eine Latrine und eine kaputte Dusche (weswegen wir uns auf Eimerduschen beschränken müssen), aber auch daran gewöhnt man sich. Woran ich mich noch nicht gewöhnen konnte, sind die zahlreichen handtellergroßen Spinnen, die oft auf dem Klo auf mich zu warten scheinen, besonders dann, wenn wir gerade mal wieder Stromausfall haben und es dunkel ist. Ebenso unvertraut sind die vielen Kakerlaken, Käfer und Eidechsen, von denen aber glücklicherweise nur letztere bisher den Weg in unser Schlafzimmer gefunden haben. Abgesehen davon fühle ich mich in meinem neuen Zuhause aber ziemlich wohl. Auch das Essen ist gut, allerdings gibt es da eine Sache, die mich ein bisschen stört: Es gibt jeden Tag das gleiche zu essen. Nämlich immer eine Schüssel gekochten Reis, eine Schüssel gekochter Bananan und dazu eine Schüssel Kraut- oder Tomatensalat. An ca. 3 Tagen die Woche gibt es noch Fleisch dazu, das entweder aus grätigem, aber leckerem Fisch, oder sehnigem Rindfleisch voller Knorpel besteht. Zum Frühstück gibt es Toast mit Butter und Bananen, zum Mittag- und Abendessen, wie eben erläutert, Reis mit Bananen und zum Nachtisch – wie soll es auch anders sein? – frische Bananen. Naja, wer weiß, vielleicht komme ich ja in 10 Monaten nach Hause und will gar nichts anderes mehr essen? Oder ich will alles essen, nur nicht das. ;)

Eine andere Sache, mit der ich mich auch erstmal zurechtfinden muss, ist die Tatsache, dass wir pro Woche 9 Mal (!!!) zur Messe in die Kirche gehen. Dass die Schwestern sehr christlich sind, war uns natürlich klar, aber dass wir jeden Tag in den Gottesdienst gehen würden, und an manchen Tagen sogar mehrmals, damit hatten wir nicht ganz gerechnet. Somit heißt es jeden Morgen um 05.30 Uhr aufstehen und erst mal in die Kirche gehen. Was die Gelassenheit der Afrikaner angeht, wirkt sich diese auch stark auf die Gottesdienste aus. Am Sonntag saßen wir heftige 5 ½ Stunden in der Messe und waren danach stolz darauf, so lange durchgehalten zu haben. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Kirche hier viel spannender ist als in Deutschland. Zum einen Mal ist hier eine viel größere Masse an Menschen in der Messe vertreten, und dann auch noch jegliche Altersklasse und nicht wie bei mir zuhause in Deutschland dreißig Leute mit Altersdurchschnitt 70+. Zum anderen ist Kirche hier so lebendig. Man spürt eine richtige Gemeinschaft zwischen den Menschen, der Pfarrer ist unglaublich leidenschaftlich und der Kirchenchor ist einfach der Wahnsinn. Warum anscheinend alle Afrikaner so unglaublich gut singen können, ist für mich wirklich ein Rätsel. Das einzige Problem am ständigen Kirche gehen ist eher, dass Kathi und ich einfach nichts verstehen. In Deutschland hatten wir einen dreiwöchigen Intensiv-Sprachkurs in Kiswahili, der Nationalsprache Tansanias, aber 3 Wochen reichen leider nicht im geringsten aus, um eine Sprache zu lernen. Das müssen wir hier aufs Bitterste lernen. Die zwei Schwestern, bei denen wir wohnen, können so gut wie kein Englisch und Deutsch sowieso nicht, und da wir nur wenige Brocken Kiswahili können, fällt es uns sehr schwer, uns mit ihnen zu verständigen. Oft kommt es deshalb zu Missverständnissen und Beziehungen können sich nicht verbessern, wenn man nicht miteinander kommunizieren kann. Die Sprache ist momentan wirklich das größte Problem und ein Hindernis, das wir unbedingt überwinden müssen, um hier anzukommen und uns zurechtfinden zu können. Da leider in ganz Tukuyu (einer Stadt mit immerhin 50.000 Einwohnern) kaum jemand auch nur ansatzweise Englisch sprechen kann, konnten wir bis jetzt auch noch keine Freundschaften mit den Einheimischen schließen. Davon ausgenommen sind vielleicht noch ein paar Kinder, die wir kennengelernt haben, und die uns lieben, einfach weil wir weiße Haut haben und blaue Augen und weiches blondes Haar, das sie anfassen dürfen. Außerdem können ein paar der Kinder Englisch und somit können wir uns wenigstens mit ihnen verständigen. Die Kinder sind super, es macht mich total glücklich zu sehen, wie sie sich freuen, wenn man mit ihnen redet und sich Zeit für sie nimmt. Wenn sie mich so anstrahlen, hab ich das Gefühl, es ist den ganzen Kulturschock, all das Neue und Harte und Schockierende, vollkommen wert. Deshalb freue ich mich ja eigentlich auch sehr darauf, bald mit den Kindern zu arbeiten. Allerdings hab ich inzwischen erkannt, wie wenig ich Kiswahili verstehe und sprechen kann, und dass es niemals ausreicht um auch nur ansatzweise einen Unterricht führen zu können. Wie soll ich die Kinder in verschiedenen Fächern unterrichten, wenn ich nicht mal ihre Sprache sprechen kann? Eigentlich war vorgesehen, dass wir in die Magereza Primary School gehen, und dort also in der Grundschule unterrichten, was mich beruhigt hat, weil ich wusste, dass einige Kinder dort gut Englisch sprechen können und ich mich mit ihnen verständigen kann. Heute allerdings waren Kathi und ich dort und wurden gleich mal in einen Kindergarten daneben gesteckt, in welchem die Kinder natürlich noch kein Englisch können, und auch sonst recht unverständliches Kiswahili sprechen. Dazu kommt auch noch, dass sie gar nicht sprechen wollen, weil sie nämlich Angst vor uns zu haben scheinen. Anscheinend haben sie noch nie vorher Weiße gesehen und plötzlich spazieren da gleich zwei von denen in ihr Klassenzimmer… Das muss natürlich ein Schock für sie gewesen sein. Trotzdem hätte ich mir ein bisschen Mitarbeit und ein kleines Lächeln sehr gewünscht. Im Moment hab ich einfach ein bisschen Angst davor, morgen richtig unterrichten zu müssen. Ich hoffe, die Kinder verstehen mich ein bisschen und ich sie hoffentlich auch. In Tansania wird in Kindergärten nämlich nicht gespielt, oh nein, sie sitzen zu dreißigst in einem winzigen Klassenzimmer, oft zu viert an einem noch winzigeren Tisch und bekommen Frontalunterricht. Wer falsch zählt oder nicht aufpasst bekommt einen Schlag auf den Kopf oder mit dem Stock einen Schlag auf den Hintern. Das mitansehen zu müssen ist furchtbar und am liebsten würde ich wegsehen, aber das macht es auch nicht besser. Außerdem dürfen wir nicht eingreifen, wenn Kinder von Lehrern geschlagen werden, da uns dies von unserer Organisation ausdrücklich verboten wurde, und die Menschen dort unser Entsetzen sowieso nicht verstehen würden. Die Kultur und die Mentalität der Tansanier ist einfach eine völlig andere und wenn wir uns nicht anpassen, werden wir nie dort hineinpassen. Deshalb werde ich meine Meinung, was solche Dinge wie Gewalt bei Kindern und der Unterdrückung von Frauen, nicht ändern, aber äußern darf ich sie auch nicht.

Trotzdem sollte man jetzt nicht denken, dass man sich aufgrund der unterschiedlichen Kultur nicht mit den Tansaniern gut verstehen kann, denn das stimmt nicht. Man kann sich super mit ihnen verstehen, notfalls mit Hand und Fuß und ein paar Fetzen Englisch. Am Samstag zum Beispiel, als wir gerade zu Mittag essen wollten, klingelte es plötzlich an der Haustür, und als wir aufmachten, stand ein Mann im Anzug davor, der uns einlud, in sein Auto einzusteigen. Völlig verwirrt lehnten wir ab und hatten schon Visionen von gekidnappten „Wazungu“ im Kopf, als dieser uns auf Englisch erklärte, dass in Tukuyu heute eine Hochzeit stattfinden würde, und er uns gerne dahin mitnehmen wollte. Nachdem dies geklärt war, stiegen wir bereitwillig ins Auto ein, ärgerten uns aber gleichzeitig darüber, dass niemand es für nötig gehalten hatte, uns vorher zu sagen, dass wir fast den ganzen Samstag auf einer Hochzeit verbringen würden, auf die wir nun ungewaschen und mit dreckiger Kleidung gehen mussten (okay, ganz so schlimm sahen wir vielleicht nicht aus, aber wir fühlten uns so). Obwohl die Messe der Hochzeit, die sogar eine Dreifach-Hochzeit war, wie erwartet sehr lange dauerte, war es doch ganz schön, dabei zu sein und dieses Fest auf tansanische Art zu erleben. Es war etwas seltsam, dass wir niemanden kannten, nicht einmal die Brautpaare, aber einige Gäste unterhielten sich auch mit uns und die Brautpaare schienen es sogar für eine Ehre zu halten, dass wir dabei waren. Verrückt. Nachdem der feierliche Teil zu Ende war, wurde die die Stimmung deutlich ausgelassener. Abends mussten die Brautpaare noch ein paar Rituale durchführen, beispielsweise gemeinsam eine Torte anschneiden und sich gegenseitig ein Getränk an den Mund halten, und danach wurde das von meinem hungrigen Magen, der kein Mittag gegessen hatte, sehnlichst erwartete Essen serviert. Auf jedem Teller befand sich ein unglaublicher Haufen aus Reis, Hähnchen, Salat, Erbsengemüse und Rindfleisch, als Nachtisch ein Stück Wassermelone. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Als ich jedoch nach Besteck fragte, wurde mir erklärt, dass man mit den Händen esse, weil nicht ausreichend Besteck für alle Gäste vorhanden war. Diese Erklärung leuchtete mir ein, aber wie ich in Soße getränktes Fleisch und Gemüse mit den Fingern essen sollte, ohne eine Riesensauerei zu veranstalten, war mir nicht ganz klar. Es lief dann auch nicht ganz ohne Sauerei ab, und mein Teller sah nach dem Essen eher aus wie ein Schlachtfeld, aber immerhin war das Essen gut. Und ich hatte wieder mal eine neue Erfahrung gemacht. Nach dem Dinner wurde es dann erst richtig lustig. Man hatte Kathi und mich extra in die „VIP-Loge“ gesetzt, nämlich auf einer Empore direkt neben den Brautpaaren, von wo aus jeder uns sehen konnte. Mit uns am Tisch saßen unsere beiden katholischen Schwestern, ein 7-jähriger Junge, dessen Eltern eins der drei Brautpaare waren, und ein Pfarrer, der glücklicherweise Englisch kann. Dieser drehte uns ein Bier nach dem anderen an, und als wir dann auch noch mit Champagner auf den Abend anstießen, hatten wir eine super Zeit. ;) Gleichzeitig kam mir der Gedanke, wie absurd dieser Abend eigentlich war. Da saß ich in Afrika, am Tisch mit 2 Nonnen, einem kleinen Jungen und einem Pfarrer und trank Bier. Was für ein Irrsinn. :) Es war aber ein super Abend, der mir gezeigt hat, wie schön es hier sein kann, und dass man diese Momente schätzen und genießen soll, weil sie einzigartig sind.

So, ich denke, das war jetzt erstmal genug zu meinem Leben hier. Es gibt zwar noch unglaublich viele weitere Erlebnisse, aber ich glaube, wenn ich jetzt weitermache, sprenge ich die maximale Kapazität an Buchstaben in diesem Blogeintrag. ;) Und außerdem hab ich die meisten von euch wahrscheinlich total überfordert, mit dieser riesigen Masse von Bildern und Erzählungen. Jetzt könnt ihr euch vielleicht ungefähr vorstellen, was momentan so in meinem Kopf vorgeht. ;)

Ich versuche, mich nächstes Mal kürzer zu fassen. Und an diejenigen, die bis hierhin durchgehalten haben – Hut ab. ;)

Liebste Grüße aus dem fernen Tansania

Tabea :)

Letzte Stunden vor dem Aufbruch ins Unbekannte!

Montag, 06.10.2014

Soo, jetzt wird's langsam ernst... Mir kommt es erst vor wie gestern, als ich mich vor 9 Monaten für den Freiwilligendienst nach Tansania beworben hab... und jetzt geht die Reise in weniger als 24 Stunden los! Dass ich heute die letzte Nacht in Deutschland für die nächsten 10 Monate verbringen werde, scheint mir so unwirklich! Und noch unwirklicher ist der Gedanke, all die Menschen, mit denen man seinen Alltag verbringt, für eine lange Zeit nicht mehr sehen zu können. Im Moment herrscht in mir ein Wirrwarr aus Gedanken und Gefühlen. Momentan dominiert eher die Aufregung, eine an mir nagende Nervosität, die wahrscheinlich erst verschwinden wird, wenn ich an meiner Einsatzstelle in Tansania angekommen bin. Ich bin sehr, sehr gespannt und hoffe, dass mein Flug morgen um 22:05 gut verläuft und ich Mittwoch nachmittag gut in Dar-es Salaam ankomme.

Ich hoffe, ich kann mich bald wieder melden. Also, nächstes mal dann von Tansania aus!!:)

Liebste Grüße und kwa heri, auf Wiedersehen!