Ein weiteres kleines Puzzlestueck aus meinem Leben :)

Donnerstag, 04.12.2014

So, hier bin ich mal wieder.

Eigentlich wollte ich schon lange schreiben und von meinen Erlebnissen berichten. Doch obwohl ich das Schreiben eigentlich liebe, faellt es mir hier sehr schwer, mich dazu zu motivieren. Vielleicht, weil Tansania einfach kein Land des Lesens und Schreibens ist - es ist ein Land des Redens, des Beisammenseins und des Miteinanders.

Ich weiss auch gar nicht, wo ich anfangen soll. Seit meinem letzten Blogeintrag ist so viel passiert. Inzwischen lebe ich seit ungefaehr 8 Wochen, also 57 Tagen in Tansania. Einerseits ist die Zeit bis jetzt wie im Flug vergangen, andrerseits kann ich mir ein anderes Leben als dieses momentan kaum mehr vorstellen. Das Leben hier unterscheidet sich einfach so gaenzlich von meinem Alltag in Deutschland, dass ich hier das Gefuehl habe, in einer anderen Welt zu leben.

Mein Tagesablauf hat sich inzwischen eingespielt: Morgens um 06.20 Uhr gehe ich (noch im Schlafmodus) in die Kirche und versuche verzweifelt, die in wahnsinnig schnellem Tempo heruntergeratterten Sprechgesaenge zwischen Pfarrer und Gemeinde (also 2 katholischen Schwestern und uns beiden Freiwilligen) mitzustottern. Nach der Messe geht es fuer die naechsten drei Stunden in den Kindergarten. Dort erwarten mich 60 voellig hyperaktive Kinder, die es gar nicht erwarten koennen, bis der Unterricht beginnt und sie mit dem Chaos beginnen koennen. Das Chaos besteht meistens darin, dass die Kinder aufeinander einschlagen, weinen, ihre Hefte zerreissen, im Klassenzimmer (von uns auch "Loch" genannt) herumrennen und durch lautes Schreien herausfinden wollen, wer von ihnen das groesste Stimmvolumen besitzt. Nachdem ich drei Stunden lang versucht habe, den Kindern bruellend das ABC auf Englisch beizubringen und "1+1" an den Haenden abzuzaehlen, entlasse ich sie uebergluecklich (und ohne Stimme) in die Freiheit. Kaum ist der Unterricht zu Ende, verwandeln sich die kleinen Monsterchen binnen Sekunden in unschuldige, suesse, liebe Dinger, die mit dir kuscheln wollen, dir durchs Haar streichen, dich an die Hand nehmen und dir auf dem Nachhauseweg so viele schoene exotische Blumen pfluecken, dass du gar nicht weisst, wohin damit. So geht man also jeden Morgen mit gemischten Gefuehlen in den Kindergarten.

Magereza Primary School Teaching in Kindergarten Very motivated kids ;) Blessi

Nach dem Unterricht erledigen wir im Haus der Schwestern jegliche Arbeit, die anfaellt: Wir fegen Hof und Garten (ja, ernsthaft den Garten. Macht wirklich viel Sinn, auf Erdboden und Gras zu fegen.), putzen das Haus, spuelen Geschirr, waschen die Waesche (natuerlich im Eimer - wer haette gedacht, dass man eine Waschmaschine so vermissen kann!) und helfen beim Kochen. Die tansanischen Gerichte zu erlernen macht Spass und die meisten schmecken mir wirklich gut, auch wenn es anfangs etwas gewoehnungsbeduerftig war, dass saemtliche Speisen vor Fett nur so triefen. Ein einziges Mal haben Kathi und ich bisher deutsches Essen gekocht - und festgestellt, dass es wahrscheinlich auch eins der letzten Male war.

Deutsch kochen mit fleissigen Helfern ;)

Deusche Speisen, und seien es auch nur einfache wie Ruehrei, Kaiserschmarrn (okay, das ist eigentlich oesterreichisch, aber das wissen die Tansanier ja nicht) und Reibekuchen, sind, wenn man weder Herd noch Ofen noch sonstige Kuechengeraete, sondern nur eine Art Feuerstelle zur Verfuegung hat, unglaublich schwer in die Tat umzusetzen. Kein Wunder also, dass das Schwierigkeitsniveau, wenn es um die Zubereitung von tansanischen Gerichten geht, ungefaehr gerade so gross ist, dass selbst 5-Jaehrige diese kochen koennten. Meistens laueft das Kochen naemlich folgendermassen ab: Man waescht und schneidet betreffendes Obst oder Gemuese (z.B. Bananen, Kartoffeln, Tomaten, etc.), gibt es in eine Pfanne und ertraenkt es in Unmengen von Oel. Nachdem das Gemuese auf alle Faelle ertrunken ist, nimmt man es hinaus und gibt es in einen Topf, den man auf den Esstisch stellt. Fertig. Gewuerze oder gar Sossen sind nicht noetig, je weniger Geschmack, desto besser. Ausser vielleicht, wenn es um "pilipili" geht, Chili, von dem die Schwestern teilweise so viel in ihre Teller schuetten, dass ich Mitleid mit dem Essen kriege. Wenn ich hingegen ein paar Prisen Salz ueber meinen Teller streue, ist diese absonderliche Essgewohnheit von mir gleich mal fuer die naechsten 15 Minuten Gespraechsthema Nummer 1 am Esstisch. Dann wird auch mal wieder (ungefaehr zum 100. Mal) darueber gelacht, dass ich eines Abends eine halbe Chilischote in meinem Salat uebersehen habe und die restliche Zeit vom Abendessen hustend, keuchend und mit roten Augen am Esstisch sass, waehrend Kathi vor Lachen fast vom Stuhl fiel.

Eine Sache, die mir aufgefallen ist: In Tansania braucht man fuer alles so unglaublich lange. Fuer saemtliche Taetigkeiten benoetigt man hier einen viel groesseren Zeitaufwand als in Deutschland und deshalb schafft man pro Tag dementsprechend wenig Arbeit. Beispielsweise dauert das Waesche waschen, wenn man nur seine Haende und ein Stueck Seife besitzt, mehrere Stunden - In Deutschland wuerde man einfach alles in die Waschmaschine stopfen und es zwei Stunden spaeter aufhaengen. Das Grundstueck zu fegen ist mit ein paar zusammengebundenen Reisigzweigen wesentlich schwerer als mit einem Besen; und Gemuese mit kaputten Klingen zu schneiden, ist ein wahres Kunststueck. Einkaeufe wie Klopapier, Taschenlampe und Regenschirm erfordern wahnsinnig viel Zeit und Geduld: Zuersteinmal muss man in dem bunten Marktgewimmel nach den benoetigten Gegenstaenden suchen und dann mit den Haendlern um einen Preis feilschen, der nicht voellig in den Wolken schwebt.

Gleichzeitig scheint hier alles simpler und gelassener, locker - friedlicher.

Man braucht viel Geduld, wenn man hier leben will. Auch an Flexibilitaet darf es einem nicht mangeln. Wenn man diese beiden Eigenschaften besitzt, faellt es einem manchmal gar nicht so schwer, in die tansanische Kultur einzutauchen. Man muss sich anpassen, sich von der bunten, lauten Welt Afrikas treiben lassen und die Dinge auf sich zukommen lassen. Ich liebe das lebhafte, farbenfrohe Gewusel auf dem Markt, die Staende voller Obst, Gemuese, Gewuerze, Kleidung, Schuhe und die Verkaeufer, die jeden mit einem einladenden "Karibu" ("Willkommen") begruessen. Ich liebe es, in einem Laden von hunderten, schillernden, farbenspruehenden Stoffen umgeben zu sein und mir daraus von einer netten Frau schneidern zu lassen, was auch immer ich gerne tragen moechte. Ich liebe es, dass, wenn ich im Bus sitze und nicht weiss, an welcher Station ich aussteigen soll, die Menschen mir ohne zu zoegern helfen wollen und mir an jeder Station geduldig aufs Neue erklaeren, dass ich an dieser Stelle noch nicht aussteigen soll. Ich liebe es, wie vorbeilaufende Kinder sich freuen, wenn ich sie einfach nur anlaechle. Ich liebe es, jeden Morgen aufzustehen und den Sonnenaufgang zwischen den Baeumen beobachten zu koennen.

Und ich liebe die Landschaft meines neuen Zuhauses: Tukuyu ist ein kleines, lebhaftes Staedtchen, das in einer malerischen Landschaft liegt. Es ist umgeben von einer sanft geschwungenen gruenen Huegellandschaft voller Bananenpalmen und Teeplantagen. Ueberall wachsen Baueme mit exotischen Fruechten: Mangos, Papayas, Avocados... Kleine, bunte Voegel huepfen herum und zwitschern unbekannte, lebhafte Melodien. Am Horizont kann man ein Relief aus gewaltigen Bergen erblicken, hinter dem Abends die Sonne verschwindet, nachdem sie ihre dunkelroten Strahlen an den Himmel gemalt hat. Diese tropische Landschaft ist einfach wunderschoen und es verschlaegt mir jeden Morgen aufs Neue den Atem, dass ich fuer eine Weile in ihr leben und diese Schoenheit geniessen kann.

Doch natuerlich lebe ich nicht nur wegen der Landschaft gerne hier: Inzwischen haben wir uns auch schon mit ein paar Leuten angefreundet. Abgesehen von uns beiden gibt es noch andere Freiwillige aus verschiedenen Laendern, die hier in der Umgebung leben und arbeiten. Vor ein paar Wochen haben wir eine 24-jaehrige Amerikanerin namens Beth kennengelernt, die in einem Nachbarort von Tukuyu lebt und in einer Secondary School arbeitet. Letzten Freitag hat sie uns zu Thanksgiving (einem in den USA sehr grossen Feiertag, an dem man normalerweise Truthahn isst) eingeladen und zusammen mit vier anderen Amis haben wir den Tag gebuehrend gefeiert. Es gab ein wahres Festmahl fuer unsere Baeuche: Pizza (in einer zu einem Ofen umfunktionierten Pfanne gebacken), Gemuese und Chips mit Dip, Apple Pie mit Zimt, Bananen mit Honig und Erdnussbutter, und als Abschluss Spaghetti. Kurz gesagt: Endlich mal wieder richtig normales Essen. An Thanksgiving ist es Tradition, sich so richtig vollzufressen, und als wir uns so fuehlten, als ob wir gleich platzten, kamen wir langsam ins Gespraech. Dabei ging es um die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA und um Stereotypen, die wir vom jeweils anderen Land hatten. Genannte Stereotypen ueber Deutschland waren folgende: Wir sind extrem intelligent, strukturiert und diszipliniert; ausserdem sind wir immer puenktlich (dementsprechend waere ich also nicht deutsch). Zudem fahren wir nur teure Autos und sind aeusserst modern. Zwei, meiner Meinung nach, extrem eigenartige Stereotypen sind ausserdem, dass wir Deutschen unser Bier warm trinken (Wer bitte tut das?!) und weitestgehend emotionslos sind (demzufolge sind wir anscheinend Aliens). Auf alle Faelle war es sehr interessant, sich untereinander auszutauschen und zu erfahren, was andere so ueber einen denken. Und vielleicht konnten wir ihnen zeigen, dass wir nicht voellig emotionslos sind. ;) Abends haben wir mit Tassen voller Wein auf den Abend angestossen und es einfach mal genossen, sich in Gesellschaft von Gleichgenossigen zu befinden, und einen Abend mal nicht angestarrt und "Wazungu" ("Weisse") genannt zu werden.

Die naechsten Tage trafen wir uns wieder mit den Amerikanern, und da in Tansania seit dieser Woche die Sommerferien fuer alle Kinder begonnen haben, hatten wir Zeit und liessen uns am Montag von ihnen auf einen Trip zu einem Vulkankratersee in der Naehe einladen. Die Umgebung von Tukuyu besteht naemlich praktisch aus (teilweise immer noch aktiven) Vulkanen, weshalb der Boden aeusserst fruchtbar und viele Naturschoenheiten zu bewundern sind. Wir trafen uns morgens mit den Amis in Tukuyu und beschlossen, mit einem sogenannten Bajaji, kleinen, extrem langsamen und klapprigen Fahrzeugen auf 3 Raedern, zum Kratersee zu fahren. Das Bajaji hatte keine Fensterscheiben, weshalb man einen ungetruebten Ausblick nach draussen auf das bunte Marktreiben, und, nach Verlassen der Stadt auf die wunderschoenen gruenen Huegel hatte. Allerdings ruckelte beim Fahren ueber die ungeteerten, steinigen Strassen das Fahrzeug so stark, dass wir auf unseren Sitzen herumhuepften und uns krampfhaft festklammerten, um nicht seitlich aus dem Bajaji herauszufallen.

Eine Sache, die in Tansania wahnsinnig gefaehrlich ist: Die Strasse. Auf der Strasse verhalten sich die Tansanier nicht mehr menschlich; sobald sie hinter dem Steuer eines Fahrzeugs sitzen, geht es nur noch darum, wer am schnellsten und am riskantesten faehrt, wer am oeftesten ueberholt und am wenigsten auf aeussere Umstaende wie ueber die Strasse laufende Menschen und Tiere achtet. Tatsaechlich sind Tansanias Strassen eine der gefaehrlichsten auf der ganzen Welt. Woran das liegt? Keine Ahnung, aber hier stehe ich regelmaessig Todesaengste aus, wenn wir uns in einem Fahrzeug befinden, dessen Fahrer wie wahnsinnig um eine Kurve rast und sich dabei auf der falschen Strassenseite befindet.

Jedenfalls rasten die LKWs in rasantem Tempo und ungefaehr 5cm Abstand an unserem winzigen Bajaji vorbei und liessen mein Herz jedes Mal schneller huepfen. Als wir nach ungefaehr 45 Minuten endlich oberhalb des Sees anhielten, fuehlten sich meine Beine an wie Wackelpudding und in meinen Ohren rauschte es. Ich uebertraf meine, sowieso schon ueberdurchschnittlich grosse Tollpatschigkeit noch um einiges, indem ich es schaffte, dreimal innerhalb von ein paar Stunden hinzufallen und mir beim Abstieg zum Kratersee zweimal den Fuss umzuknicken, sodass ich den restlichen Tag damit verbrachte, den anderen hinterherzuhinken. Alles in allem war das den Ausflug allerdings mehr als wert. Der Anblick des Kratersees war wunderschoen. Der Himmel spiegelte sich in der glatten Oberflaeche des Sees, der wie ein riesiger Spiegel vor uns lag. Die Sonne brachte die Gruen- und Blautoene des klaren Wassers deutlich hervor und weckte in mir die Sehnsucht, darin einzutauchen. Umgeben war der kreisfoermige See von grasigen Ufern und mehreren felsigen Straenden. Eine dschungelartige Wildnis umschlang den See und dessen Idylle und schirmte einen von der Rest der Welt ab. Waehrend wir um den Masoko Kratersee herumliefen, hoerten wir des Oefteren exotische Schreie aus dem Urwald neben uns, die eindeutig von den Affen stammten, die zwischen den Zweigen herumkletterten und empoert ueber unser Eindringen in ihr Revier waren. In den Baumkronen nisteten Adler, die mit ihren riesigen Schwingen Kreise am Himmel zogen. An den Ufern des Kratersees waren mehrere Einheimische damit beschaeftigt, ihre Waesche zu waschen. Deren Kinder genossen es unterdessen, sich gegenseitig im Wasser unterzutauchen und vergnuegt herumzukreischen - Kinder eben. Wir suchten uns eine ruhige Stelle und verbrachten dort die naechsten paar Stunden in genuesslicher Stille. Es war so ruhig, so friedlich, so abgeschnitten von allem. Eine kleine Oase.

Als wir uns schliesslich mit dem Bajaji auf den Rueckweg machten, war ich immer noch extrem gelassen und zufrieden. Das aenderte sich jedoch schlagartig, als das Bajaji nach ca. 5 Minuten beschloss, dass 6 auf engstem Raum zusammengequetschte Personen ihm eindeutig zu viel waren und es seinen Geist aufgab. Wir schoben es ein Stueck den Berg hoch, und beschlossen anschliessend zu Fuss zu gehen, waehrend der Bajaji-Fahrer bei seinem Fahrzeug blieb und versuchte, es wieder in Schuss zu kriegen. Als wir eine Weile durch die Pampa gelaufen waren und nichts ausser Urwald und dem Feldweg vor uns sahen, kam ein ein LKW-Fahrer an uns vorbei, der tatsaechlich anhielt und uns ohne zu Zoegern einsteigen liess und uns sogar Mangos anbot. Wieder einmal erstaunt ueber die Gastfreundlichkeit der Tansanier verbrachten wir die naechsten 20 Minuten in erleichtertem Schweigen ueber unsere Mitfahrgelegenheit. Als der Fahrer schliesslich in eine andere Richtung musste, setzte er uns ab (ohne Geld von uns anzunehmen) und wir machten uns wieder an den anstrengenden Fussmarsch durch die bergige Landschaft. Ab und zu kamen wir an ein paar Lehmhuetten mit Strohdaechern vorbei, deren Bewohner uns anstarrten, als waeren wir die ersten Weissen, die mit roten Gesichtern und verschwitzt die Strasse entlang an ihnen vorbeiliefen. Und wer weiss, vielleicht waren wir das ja auch. Unterdessen hofften wir immmer darauf, dass uns Fahrzeuge mitnehmen wuerden, aber natuerlich waren wir auf einer wenig befahrenen Strasse unterwegs, und liefen eine ganze Weile, ohne einem weiteren Fahrzeug zu begegnen. Als wir endlich Motorengeraeusch hinter uns wahrnahmen, fuhren wir erleichtert herum - und stoehnten auf. Unser Bajaji hatte aufgeholt und kaempfte stotternd mit der Ansteigung, die es zu uns fuehren wuerde. Mangels einer weiteren Mitfahrgelegenheit stiegen wir erneut ein und schafften ungefaehr 10 Minuten im Schneckentempo, bevor es wieder stehenblieb. Nach mehreren Stunden und einer Fahrt in einem weiteren Bajaji hatten wir die Gesamtstrecke von 15km (in Deutschland waeren das also knapp 10 Minuten mit dem Auto) endlich geschafft und Tukuyu erreicht. Obwohl der Tag, vor allem am Ende, anstrengend gewesen war, war es doch eine neue Erfahrung, und im Nachhinein auch eine recht lustige.

Ich schreibe mal wieder viel zu viel und da ich versproche habe, mich dieses Mal kuerzer zu fassen, hier nur noch ein weiteres Erlebnis: Letzten Samstag hatten wir zum ersten Mal ein schwesternfreies Haus und also sturmfrei! Das haben wir so richtig genossen. Somit durften wir selbst entscheiden, was wir zu Mittag kochen, und haben uns schliesslich fuer Spaghetti mit selbstgemachter Tomatensosse, Omelett und eine Art Pommes entschieden. Drei Stunden spaeter waren wir erschoepft, hatten aber alles fertig. Allerdings waren wir nicht allein im Haus: Seit ein paar Tagen wohnte ein 11-jaehriges Maedchen im Katholischen Jugendzentrum, das sich unmittelbar neben dem Haus der Schwestern befindet. Jeden Tag hoeren wir das Maedchen schon ab 05.30 Uhr morgens das Grundstueck fegen, kochen und putzen. Allerdings war sie sehr schuechtern und es wurde ihr nicht erlaubt, mit uns zu essen. Waehrend die Schwestern und wir beiden Freiwilligen also am Esstisch sassen, musste das Maedchen jeden Tag alleine in der russigen, rauchigen Kueche essen. An dem Tag jedoch, als die Schwester nicht zuhause war, traute sich das Maedchen endlich mit uns zu sprechen. Sie erklaerte, dass sie keine Familie habe, mit der Grundschule fertig war und nun hier leben wuerde. Sie habe keinen Namen und wuerde deshalb immer nur "Sista", Schwester, genannt. Ich hatte Mitleid mit ihr. Welches 11-jaehrige Kind in Deutschland waere so selbstaendig und stark wie dieses Maedchen? Es hat niemanden, dem es wichtig ist, und muss abends alleine in einer kleinen Kammer direkt neben den (stinkenden) Toiletten uebernachten. Niemand sagt ihm gute Nacht oder weckt es am naechsten Morgen. Trotzdem beginnt das Maedchen jeden Morgen seine Arbeit ohne zu murren, laechelt uns an und macht so Tag fuer Tag weiter. Als sie uns dies erzaehlte, und das Essen dampfend auf dem Tisch stand, beschlossen wir, zusammen mit ihr in der Kueche zu essen (denn sie weigerte sich partout, mit uns am Tisch zu essen, da ihr das ja verboten war). Wir setzten uns also alle auf wacklige Holzhocker um die Feuerstelle und assen einvernehmlich das leckere Essen. Nachher liessen wir es uns nicht nehmen, eine Packung Kekse und Nutella zu holen und dem Maedchen in Nutella getunkte Kekse anzubieten.

Ich habe es noch nie so strahlen sehen.

Seit diesem Nachmittag laechelt das Maedchen uns jedes Mal an, wenn wir vorbeigehen und unterhaelt sich leise mit uns. Ausserdem hilft sie uns, indem sie uns geduldig und in extra langsamem Kiswahili erklaert, was die Schwester von uns will. Gestern machte sie mich darauf aufmerksam, dass der Himmel zugezogen habe und es jeden Moment zu regnen anfangen wuerde; wir sollten am besten sofort unsere Waesche abhaengen. Ich ging mit ihr nach draussen und sah, dass sie Recht hatte: Es war richtig duester geworden, die Gewitterwolken hingen bedrohlich am Himmel und ausser uns war keine Menschenseele mehr draussen. Hastig begannen wir die Waesche abzuhaengen und als ein gleissender Blitz den Himmel erhellte, unmittelbar gefolgt von einem ohrenbetaeubenden Donnerschlag, erschrak ich so, dass ich vor Schreck fast die Waesche fallen liess und wir beide in Lachen ausbrachen. Neulich erklaerte die Schwester dem Maedchen, dass es sich einen Namen fuer sich selbst aussuchen konnte, damit man sie nicht mehr nur Sista nannte. Das Maedchen entschied sich nach kurzer Ueberlegung fuer "Veronika" und jedes Mal, wenn wir sie so nennen, freut sie sich.

Ich habe verstanden, dass es unglaublich schwierig, nein, eigentlich unmoeglich ist, diesem Land zu helfen. So viel laeuft hier falsch, es passieren so viele schlimme Dinge, und Menschen sind in ihrer Meinung so festgefahren, dass es schwierig ist, ihnen unsere Denkweise verstaendlich zu machen. Aber ich glaube, dass ich meine Zeit hier dazu nutzen kann, ein paar wenigen Menschen zu helfen, und sei es auch nur damit, sie ein paar Mal oefter zum Laecheln zu bringen. Solange ich ein paar Menschen hier gluecklicher machen kann, wird es diese 10 Monate wert gewesen sein.

Fun with some kids :) Fun!

Es fehlen noch so viele Geschichten, die ich euch gerne erzaehlen wuerde, aber ich glaube, das verschiebe ich lieber auf naechstes Mal. Ich sitze naemlich schon seit ueber drei Stunden in einem kleinen, heruntergekommenen Internetcafe, in welchem der Strom staendig ausfaellt. Draussen regnet es gerade in Stroemen (bald geht hier naemlich die Regenzeit los) und neben mir sitzt ein Tansanier, dem ich eben versprochen habe, dass ich ihm Deutsch und Franzoesisch beibringen werde. ;) Jetzt dann werde ich auf den Markt zu meiner Schneiderin gehen, und mein (hoffentlich fertiges) geschneidertes Kleid abholen.

Ich hoffe, euch geht es genauso gut wie mir, und ihr geniesst die vorweihnachtliche Stimmung. Von der bekomme ich hier naemlich so gut wie gar nichts mit, da es hier an Dekoration, Schnee und vor allem Kaelte fehlt. Koennt ihr euch ein heisses Weihnachten vorstellen? Ich mir irgendwie noch ueberhaupt nicht. Aber das werde ich ja bald herausfinden.

Von dem her, bis zum naechsten Mal - tutaonana tena!

Tabea