Berichte von 10/2014

Juhuu, ich lebe noch!

Dienstag, 21.10.2014

So, hier kommt er endlich: Mein erster Blogeintrag in Tansania!

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wo ich überhaupt anfangen soll. Seit den 2 Wochen, die ich nun schon in Afrika bin, sind eine Menge Eindrücke auf mich eingestürmt, es gab so viel zu sehen und aufzunehmen. Das Land hat mich von erster Sekunde an in seinen Bann gezogen und fasziniert.

Am besten beginne ich am Anfang: Die Hinreise zum Frankfurter Flughafen verlief ohne Probleme, und war eher emotional eine Hürde, da man sich endgültig (zumindest für die nächsten 10 Monate) von seiner Familie verabschieden musste. Etwas traurig, aber auch gefasst traf ich auf die anderen Freiwilligen, die mit mir im Namen von Caritas nach Tansania fliegen und dort einen Freiwilligendienst leisten würden. Es war schön, alle wiederzusehen, denn wir hatten uns alle schon in mehreren Seminaren (diverse Sprachkurse und Vorbereitungsseminare) gut kennengelernt und unser gemeinsamer Traum verband uns. Das Einchecken verlief gut und um 22:05 Uhr startete unser Flieger.

Die Reise ins Unbekannte hatte begonnen.

Vorfreude, Müdigkeit und ein seltsames Gefühl von Unwirklichkeit hielten sich die Waage, und ich vertrieb mir die Zeit damit, Filme zu schauen und ein letztes Mal deutsches Essen von Lufthansa zu genießen. ;) Als wir nach 7 Stunden Flugzeit schließlich in Addis Abeba, Äthiopien, zwischenlandeten, ergriff die Vorfreude siedend heiß Besitz von mir und ich betrachtete überwältigt meinen ersten afrikanischen Sonnenaufgang, der sich in orange-roten Farben am Himmel abzeichnete. Dabei musste ich ständig denken: „Wahnsinn, du bist wirklich in Afrika!“ Das Gefühl war unglaublich.

Allerdings schwand dieses Gefühl auch recht schnell wieder, da ich die Nacht durchgemacht hatte, nun völlig übermüdet war und außerdem noch fror, da es zu unsrer aller Überraschung am Flughafen von Äthiopien nur 14° Celsius hatte. Der Flughafen war laut und bunt, und ich machte meine ersten Erfahrungen mit absolut widerlichen Toiletten. ;) Unsere Gruppe verzog sich in eine ruhige Ecke, wo wir uns die Zeit bis zu unserem Weiterflug hauptsächlich mit Schlafen und Reden vertrieben. Nach vier Stunden des Wartens ging es endlich in den nächsten Flieger, der uns nach Tansania brachte. Als wir schließlich um 13.30 Uhr tansanische Ortszeit (eine Stunde weiter als unsere Zeitzone in Deutschland) in Dar-es Salaam, der meistbevölkerten Stadt Tansanias, die an der Küste liegt, ankamen, konnten wir es gar nicht mehr erwarten, endlich rauszukommen. Vorher mussten wir aber noch eine Menge Papierkram erledigen und uns etlichen Kontrollen unterziehen. Als wir (endlich!) aus dem Flughafen traten, empfing uns ein Hitzeschwall und eine Masse lauter, dunkelhäutiger Menschen. Für unsere Gruppe standen zwei Dalla Dallas (Kleinbusse) bereit, wir stiegen ein und los ging die Fahrt durch Dar-es Salaam. Mein erster Eindruck von Tansania war: Alles war so lebendig. Überall gab es was zu sehen, es war ein Chaos von Farben, Gerüchen und durcheinanderlaufenden Menschen. Menschen, die am Straßenrand entspannten und sich unterhielten, Menschen die Bretter zusammennagelten und Körbe verkauften, sogar eine Menge Menschen, die auf der Fahrbahn zwischen den Fahrzeugen herumliefen und an die Fenster klopften, um Getränke, Chips, Handtücher, Sonnenbrillen, Schuhe, Brot, Kleidung (bevorzugterweise Unterwäsche) oder was sie auch sonst so an Waren dabeihatten, an uns loszuwerden. Dabei waren, was die Art der Ware betraf, keine Grenzen gesetzt. Allerdings starrten nicht nur wir wie gebannt auf das herumwuselnde Geschehen, sondern wurden selbst permanent angestarrt. In den 5 Stunden, die wir mit dem Bus fuhren, sahen wir nicht ein einziges Mal einen Weißen herumspazieren, so waren wir als ganzer Bus voller „Wazungu“ (Weißer) natürlich eine Sensation. Der Verkehr war ein lautes Chaos, anstatt Schildern und Ampeln bestand die Verständigung untereinander vor allem aus lautem Hupen (meistens mehrmalig und langgezogen). Teilweise versuchten sich Fahrzeuge von anderen Straßen in die schlängelnde Masse der Fahrbahn zu drängen, wodurch wir des Öfteren nur knapp einer Massenkarambolage entgingen. Voran kamen wir ungefähr im Schneckentempo. Das gab uns immerhin genug Zeit, das Industriegebiet der größten Stadt Tansanias und dessen dort lebende Menschen ausführlich zu betrachten. Es war eine äußerst ärmliche Gegend, an die vielen Fabriken reihten sich winzige Hütten aus Wellblech, die eher nach Ruinen als nach Wohnungen aussahen. Als wir nach ein paar Stunden Dar-es Salaam verlassen hatten und durch die Landschaft fuhren, wurden die Zustände, die wir zu sehen bekamen, sogar noch schlechter. Die vielen Siedlungen, an denen wir vorbeifuhren, bestanden oft nur aus wenigen Hütten, die mit Hilfe von Lehm und Stöcken gebaut waren und oft so schief waren, dass man Angst haben musste, dass sie gleich in sich zusammen fallen würden (was sie teilweise bestimmt auch taten). Schockierend war auch, dass manche Häuser sogar aus Müll gebaut worden waren, die Abfälle waren ganz einfach in die Wände integriert worden. Tiere und kleine Kinder liefen zwischen den winzigen Bauten herum, ab und zu brannte ein Lagerfeuer vor einer Hütte. Menschen saßen darum und unterhielten sich, andere arbeiteten, fegten den Boden und zerschnitten Holzplanken. Man fühlte sich wie in einen Film über Afrika hineinversetzt. Es gab so viel zu sehen. Das ganze Leben der Menschen schien auf der Straße stattzufinden. All das zu beobachten, entsetzte und faszinierte mich zugleich. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Menschen wirklich so lebten. Verrückt war auch der Kontrast zwischen den niedrigen Lebensstandards der Menschen und der atemberaubenden Landschaft. Es war so grün! Überall standen riesige Bananenpalmen auf Wiesen mit sanften Hügeln, ab und zu konnte man kleine Seen erkennen. Es war wunderschön. Gleichzeitig fragte ich mich, ob die Menschen, die in solch einer Landschaft leben, diese Schönheit vielleicht gar nicht wahrnehmen, weil sie sich daran gewöhnt haben oder einfach, weil sie zu beschäftigt damit sind, zu überleben.

Ein weiterer Schock auf der Busfahrt nach Morogoro, unserem vorläufigen Reiseziel, waren die Buschbrände, die wir beobachteten, als wir durch trockene, staubige Ebenen mit vereinzelten Sträuchern fuhren. Man sah es lichterloh brennen, doch gleichzeitig konnte man nichts dagegen tun, es gab niemanden, den man anrufen konnte, um das Feuer zu stoppen. All diese Eindrücke stürmten auf mich ein und mussten erst einmal verarbeitet werden. Als wir abends um 20Uhr endlich in Morogoro, einer schönen Stadt unterhalb von gewaltigen Bergen, ankamen, war ich ausgelaugt und erschöpft. Ich war froh, dass wir in der ersten Woche noch gemeinsam als Gruppe in einem christlichen Seminargelände untergebracht waren, denn so hatten wir Zeit, uns in Tansania einzuleben und schon ein bisschen etwas von der Kultur dort mitzubekommen, bevor wir in unsere Einsatzstellen geschickt wurden. Zum Glück war unsere Unterkunft dort recht komfortabel, es gab sogar Duschen und Toiletten, und die Menschen, die uns betreuten, gaben sich viel Mühe mit dem Essen. Außerdem war die Landschaft, in dem sich unser Haus befand, ein Paradies. Überall diese tollen Palmen, auf denen kleine Äffchen herumsprangen, die Sonne strahlte Wärme aus, und im Hintergrund erhoben sich die gewaltigen Uluguru-Berge. Wahnsinn! Insgesamt betrachtet war diese Inkulturationswoche eine super Zeit! Wir hatten viel Spaß zusammen, spielten Spiele, kauften uns Kitenge (bunte Tücher, die zu allem möglichen benutzt werden) und gingen in der Stadt bummeln und Cola trinken.

Das Highlight war die Safari im Mikumi Nationalpark. Wir fuhren früh los, um so viele Tiere wie möglich noch im Morgengrauen beobachten zu können, und konnten schon auf der Hinfahrt zum Nationalpark den Anblick von Antilopen, Zebras und über die Straße laufenden Giraffen genießen. Und vor allem: Affen. Affen, die am Straßenrand saßen und darauf warteten, Sachen zu stehlen. Ihre Strategie bestand vor allem darin, auf die Ladefläche vorbeifahrender Trucks zu springen, und sich dann die Güter, die sie gerne wollten, auszusuchen und mitzunehmen. Im Park selber sahen wir dann auch noch Löwen, Nilpferde, Giraffen, Zebras, Krokodile, Antilopen, Gnus (die in Tansania „zero brain“ genannt werden, weil sie anscheinend so dumm sind) und Elefanten aus nächster Nähe. Es war fantastisch! Obwohl die Giraffen und Elefanten mich am meisten beeindruckten, machten die Affen doch die meiste Show. Als wir im Freien im Park frühstückten, schnappte sich ein Affe eine Banane vom Buffet, und kam, nachdem er sie verzehrt hatte, wieder zurück, um den geeigneten Zeitpunkt für eine neue Attacke abzuwarten. Trotz mehrerer Kellner, die mit Stöcken bewaffnet vor dem Buffet standen, schaffte es der Affe nach einiger Zeit erneut, sich Essen zu holen; diesmal war es ein Ei, das er siegessicher in die Luft streckte, bevor er sich mit seiner Beute auf und davon machte. Viele solcher kleiner schöner Erlebnisse machten den Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Ankunft im Mikumi National Park            

Giraffen sind so elegant, nicht wahr? Zebras! Ein kleiner, sehr suesser Affe :)  Gazellen Atemberaubende Landschaft The Wild Lion Loewin nach einem Schlaefchen :)  Zero Brain! Safari! Elefantenfamilie So schoen!

So vergingen die Tage sehr schnell und am Montag, dem 14.10. war die Zeit für den Abschied von den anderen Freiwilligen gekommen. Nun wurde es ernst: Wir würden endlich unsere Einsatzstellen zu sehen bekommen und die Menschen kennenlernen, mit denen wir die nächsten 10 Monate verbringen würden! Montagmorgen um 8.30 Uhr ging für mich die Reise los. Oder besser gesagt, sollte sie zumindest. Eins der vielen Dinge, an die man sich hier gewöhnen muss, ist die Gelassenheit der Afrikaner, besonders wenn es darum geht, pünktlich zu sein und Termine einzuhalten. Uhrzeiten werden meistens gar nicht erst ausgemacht, und wenn doch werden sie wohl wieder vergessen – zumindest könnte man sich damit erklären, warum Busse erst nach Stunden oder auch überhaupt nicht auftauchen. Unserer tauchte glücklicherweise irgendwann noch auf, und nachdem wir wieder abgesetzt worden waren und nochmal zwei weitere Stunden auf einen neuen Bus warten mussten, ging die Fahrt erst richtig los. Das Thermometer im Bus zeigte 36° an und ich freute mich schon sehnlichst auf die gemäßigteren Temperaturen, die mich, wie ich wusste, an meiner Einsatzstelle in Tukuyu erwarten würden. Nach insgesamt 14 Stunden kamen wir endlich an dem Ort an, wo ich die nächste Zeit leben werde. Vor dem Haus warteten schon die katholischen Schwestern, die uns herzlich begrüßten. Das Haus selbst ist gemütlich und die Einrichtung erinnert einen an das Haus seiner Oma: Auf den dick gepolsterten alten Sofas liegen Dutzende von Häkeldeckchen und auch sonst ist alles recht altmodisch eingerichtet. Das Schlafzimmer, in dem ich zusammen mit einer anderen Freiwilligen, Katharina, schlafe, ist sehr klein, aber sauber, und wir haben immerhin einen Schrank und ein nicht funktionierendes Waschbecken. ;) Das Bad könnte man sich komfortabler vorstellen als eine Latrine und eine kaputte Dusche (weswegen wir uns auf Eimerduschen beschränken müssen), aber auch daran gewöhnt man sich. Woran ich mich noch nicht gewöhnen konnte, sind die zahlreichen handtellergroßen Spinnen, die oft auf dem Klo auf mich zu warten scheinen, besonders dann, wenn wir gerade mal wieder Stromausfall haben und es dunkel ist. Ebenso unvertraut sind die vielen Kakerlaken, Käfer und Eidechsen, von denen aber glücklicherweise nur letztere bisher den Weg in unser Schlafzimmer gefunden haben. Abgesehen davon fühle ich mich in meinem neuen Zuhause aber ziemlich wohl. Auch das Essen ist gut, allerdings gibt es da eine Sache, die mich ein bisschen stört: Es gibt jeden Tag das gleiche zu essen. Nämlich immer eine Schüssel gekochten Reis, eine Schüssel gekochter Bananan und dazu eine Schüssel Kraut- oder Tomatensalat. An ca. 3 Tagen die Woche gibt es noch Fleisch dazu, das entweder aus grätigem, aber leckerem Fisch, oder sehnigem Rindfleisch voller Knorpel besteht. Zum Frühstück gibt es Toast mit Butter und Bananen, zum Mittag- und Abendessen, wie eben erläutert, Reis mit Bananen und zum Nachtisch – wie soll es auch anders sein? – frische Bananen. Naja, wer weiß, vielleicht komme ich ja in 10 Monaten nach Hause und will gar nichts anderes mehr essen? Oder ich will alles essen, nur nicht das. ;)

Eine andere Sache, mit der ich mich auch erstmal zurechtfinden muss, ist die Tatsache, dass wir pro Woche 9 Mal (!!!) zur Messe in die Kirche gehen. Dass die Schwestern sehr christlich sind, war uns natürlich klar, aber dass wir jeden Tag in den Gottesdienst gehen würden, und an manchen Tagen sogar mehrmals, damit hatten wir nicht ganz gerechnet. Somit heißt es jeden Morgen um 05.30 Uhr aufstehen und erst mal in die Kirche gehen. Was die Gelassenheit der Afrikaner angeht, wirkt sich diese auch stark auf die Gottesdienste aus. Am Sonntag saßen wir heftige 5 ½ Stunden in der Messe und waren danach stolz darauf, so lange durchgehalten zu haben. Allerdings muss man dazu sagen, dass die Kirche hier viel spannender ist als in Deutschland. Zum einen Mal ist hier eine viel größere Masse an Menschen in der Messe vertreten, und dann auch noch jegliche Altersklasse und nicht wie bei mir zuhause in Deutschland dreißig Leute mit Altersdurchschnitt 70+. Zum anderen ist Kirche hier so lebendig. Man spürt eine richtige Gemeinschaft zwischen den Menschen, der Pfarrer ist unglaublich leidenschaftlich und der Kirchenchor ist einfach der Wahnsinn. Warum anscheinend alle Afrikaner so unglaublich gut singen können, ist für mich wirklich ein Rätsel. Das einzige Problem am ständigen Kirche gehen ist eher, dass Kathi und ich einfach nichts verstehen. In Deutschland hatten wir einen dreiwöchigen Intensiv-Sprachkurs in Kiswahili, der Nationalsprache Tansanias, aber 3 Wochen reichen leider nicht im geringsten aus, um eine Sprache zu lernen. Das müssen wir hier aufs Bitterste lernen. Die zwei Schwestern, bei denen wir wohnen, können so gut wie kein Englisch und Deutsch sowieso nicht, und da wir nur wenige Brocken Kiswahili können, fällt es uns sehr schwer, uns mit ihnen zu verständigen. Oft kommt es deshalb zu Missverständnissen und Beziehungen können sich nicht verbessern, wenn man nicht miteinander kommunizieren kann. Die Sprache ist momentan wirklich das größte Problem und ein Hindernis, das wir unbedingt überwinden müssen, um hier anzukommen und uns zurechtfinden zu können. Da leider in ganz Tukuyu (einer Stadt mit immerhin 50.000 Einwohnern) kaum jemand auch nur ansatzweise Englisch sprechen kann, konnten wir bis jetzt auch noch keine Freundschaften mit den Einheimischen schließen. Davon ausgenommen sind vielleicht noch ein paar Kinder, die wir kennengelernt haben, und die uns lieben, einfach weil wir weiße Haut haben und blaue Augen und weiches blondes Haar, das sie anfassen dürfen. Außerdem können ein paar der Kinder Englisch und somit können wir uns wenigstens mit ihnen verständigen. Die Kinder sind super, es macht mich total glücklich zu sehen, wie sie sich freuen, wenn man mit ihnen redet und sich Zeit für sie nimmt. Wenn sie mich so anstrahlen, hab ich das Gefühl, es ist den ganzen Kulturschock, all das Neue und Harte und Schockierende, vollkommen wert. Deshalb freue ich mich ja eigentlich auch sehr darauf, bald mit den Kindern zu arbeiten. Allerdings hab ich inzwischen erkannt, wie wenig ich Kiswahili verstehe und sprechen kann, und dass es niemals ausreicht um auch nur ansatzweise einen Unterricht führen zu können. Wie soll ich die Kinder in verschiedenen Fächern unterrichten, wenn ich nicht mal ihre Sprache sprechen kann? Eigentlich war vorgesehen, dass wir in die Magereza Primary School gehen, und dort also in der Grundschule unterrichten, was mich beruhigt hat, weil ich wusste, dass einige Kinder dort gut Englisch sprechen können und ich mich mit ihnen verständigen kann. Heute allerdings waren Kathi und ich dort und wurden gleich mal in einen Kindergarten daneben gesteckt, in welchem die Kinder natürlich noch kein Englisch können, und auch sonst recht unverständliches Kiswahili sprechen. Dazu kommt auch noch, dass sie gar nicht sprechen wollen, weil sie nämlich Angst vor uns zu haben scheinen. Anscheinend haben sie noch nie vorher Weiße gesehen und plötzlich spazieren da gleich zwei von denen in ihr Klassenzimmer… Das muss natürlich ein Schock für sie gewesen sein. Trotzdem hätte ich mir ein bisschen Mitarbeit und ein kleines Lächeln sehr gewünscht. Im Moment hab ich einfach ein bisschen Angst davor, morgen richtig unterrichten zu müssen. Ich hoffe, die Kinder verstehen mich ein bisschen und ich sie hoffentlich auch. In Tansania wird in Kindergärten nämlich nicht gespielt, oh nein, sie sitzen zu dreißigst in einem winzigen Klassenzimmer, oft zu viert an einem noch winzigeren Tisch und bekommen Frontalunterricht. Wer falsch zählt oder nicht aufpasst bekommt einen Schlag auf den Kopf oder mit dem Stock einen Schlag auf den Hintern. Das mitansehen zu müssen ist furchtbar und am liebsten würde ich wegsehen, aber das macht es auch nicht besser. Außerdem dürfen wir nicht eingreifen, wenn Kinder von Lehrern geschlagen werden, da uns dies von unserer Organisation ausdrücklich verboten wurde, und die Menschen dort unser Entsetzen sowieso nicht verstehen würden. Die Kultur und die Mentalität der Tansanier ist einfach eine völlig andere und wenn wir uns nicht anpassen, werden wir nie dort hineinpassen. Deshalb werde ich meine Meinung, was solche Dinge wie Gewalt bei Kindern und der Unterdrückung von Frauen, nicht ändern, aber äußern darf ich sie auch nicht.

Trotzdem sollte man jetzt nicht denken, dass man sich aufgrund der unterschiedlichen Kultur nicht mit den Tansaniern gut verstehen kann, denn das stimmt nicht. Man kann sich super mit ihnen verstehen, notfalls mit Hand und Fuß und ein paar Fetzen Englisch. Am Samstag zum Beispiel, als wir gerade zu Mittag essen wollten, klingelte es plötzlich an der Haustür, und als wir aufmachten, stand ein Mann im Anzug davor, der uns einlud, in sein Auto einzusteigen. Völlig verwirrt lehnten wir ab und hatten schon Visionen von gekidnappten „Wazungu“ im Kopf, als dieser uns auf Englisch erklärte, dass in Tukuyu heute eine Hochzeit stattfinden würde, und er uns gerne dahin mitnehmen wollte. Nachdem dies geklärt war, stiegen wir bereitwillig ins Auto ein, ärgerten uns aber gleichzeitig darüber, dass niemand es für nötig gehalten hatte, uns vorher zu sagen, dass wir fast den ganzen Samstag auf einer Hochzeit verbringen würden, auf die wir nun ungewaschen und mit dreckiger Kleidung gehen mussten (okay, ganz so schlimm sahen wir vielleicht nicht aus, aber wir fühlten uns so). Obwohl die Messe der Hochzeit, die sogar eine Dreifach-Hochzeit war, wie erwartet sehr lange dauerte, war es doch ganz schön, dabei zu sein und dieses Fest auf tansanische Art zu erleben. Es war etwas seltsam, dass wir niemanden kannten, nicht einmal die Brautpaare, aber einige Gäste unterhielten sich auch mit uns und die Brautpaare schienen es sogar für eine Ehre zu halten, dass wir dabei waren. Verrückt. Nachdem der feierliche Teil zu Ende war, wurde die die Stimmung deutlich ausgelassener. Abends mussten die Brautpaare noch ein paar Rituale durchführen, beispielsweise gemeinsam eine Torte anschneiden und sich gegenseitig ein Getränk an den Mund halten, und danach wurde das von meinem hungrigen Magen, der kein Mittag gegessen hatte, sehnlichst erwartete Essen serviert. Auf jedem Teller befand sich ein unglaublicher Haufen aus Reis, Hähnchen, Salat, Erbsengemüse und Rindfleisch, als Nachtisch ein Stück Wassermelone. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Als ich jedoch nach Besteck fragte, wurde mir erklärt, dass man mit den Händen esse, weil nicht ausreichend Besteck für alle Gäste vorhanden war. Diese Erklärung leuchtete mir ein, aber wie ich in Soße getränktes Fleisch und Gemüse mit den Fingern essen sollte, ohne eine Riesensauerei zu veranstalten, war mir nicht ganz klar. Es lief dann auch nicht ganz ohne Sauerei ab, und mein Teller sah nach dem Essen eher aus wie ein Schlachtfeld, aber immerhin war das Essen gut. Und ich hatte wieder mal eine neue Erfahrung gemacht. Nach dem Dinner wurde es dann erst richtig lustig. Man hatte Kathi und mich extra in die „VIP-Loge“ gesetzt, nämlich auf einer Empore direkt neben den Brautpaaren, von wo aus jeder uns sehen konnte. Mit uns am Tisch saßen unsere beiden katholischen Schwestern, ein 7-jähriger Junge, dessen Eltern eins der drei Brautpaare waren, und ein Pfarrer, der glücklicherweise Englisch kann. Dieser drehte uns ein Bier nach dem anderen an, und als wir dann auch noch mit Champagner auf den Abend anstießen, hatten wir eine super Zeit. ;) Gleichzeitig kam mir der Gedanke, wie absurd dieser Abend eigentlich war. Da saß ich in Afrika, am Tisch mit 2 Nonnen, einem kleinen Jungen und einem Pfarrer und trank Bier. Was für ein Irrsinn. :) Es war aber ein super Abend, der mir gezeigt hat, wie schön es hier sein kann, und dass man diese Momente schätzen und genießen soll, weil sie einzigartig sind.

So, ich denke, das war jetzt erstmal genug zu meinem Leben hier. Es gibt zwar noch unglaublich viele weitere Erlebnisse, aber ich glaube, wenn ich jetzt weitermache, sprenge ich die maximale Kapazität an Buchstaben in diesem Blogeintrag. ;) Und außerdem hab ich die meisten von euch wahrscheinlich total überfordert, mit dieser riesigen Masse von Bildern und Erzählungen. Jetzt könnt ihr euch vielleicht ungefähr vorstellen, was momentan so in meinem Kopf vorgeht. ;)

Ich versuche, mich nächstes Mal kürzer zu fassen. Und an diejenigen, die bis hierhin durchgehalten haben – Hut ab. ;)

Liebste Grüße aus dem fernen Tansania

Tabea :)

Letzte Stunden vor dem Aufbruch ins Unbekannte!

Montag, 06.10.2014

Soo, jetzt wird's langsam ernst... Mir kommt es erst vor wie gestern, als ich mich vor 9 Monaten für den Freiwilligendienst nach Tansania beworben hab... und jetzt geht die Reise in weniger als 24 Stunden los! Dass ich heute die letzte Nacht in Deutschland für die nächsten 10 Monate verbringen werde, scheint mir so unwirklich! Und noch unwirklicher ist der Gedanke, all die Menschen, mit denen man seinen Alltag verbringt, für eine lange Zeit nicht mehr sehen zu können. Im Moment herrscht in mir ein Wirrwarr aus Gedanken und Gefühlen. Momentan dominiert eher die Aufregung, eine an mir nagende Nervosität, die wahrscheinlich erst verschwinden wird, wenn ich an meiner Einsatzstelle in Tansania angekommen bin. Ich bin sehr, sehr gespannt und hoffe, dass mein Flug morgen um 22:05 gut verläuft und ich Mittwoch nachmittag gut in Dar-es Salaam ankomme.

Ich hoffe, ich kann mich bald wieder melden. Also, nächstes mal dann von Tansania aus!!:)

Liebste Grüße und kwa heri, auf Wiedersehen!